Unknown Mobile Suit – Zeonische Streitkräfte und Strategie im Wandel der Zeit

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Nach einer taktischen Umgruppierung Anfang des Monats steht der Juni 2015 ganz unter dem (gelben) Zeichen von „Strategie und Taktik im Rollenspiel„, nachdem das ursprünglich für diesen Monat geplante Thema für den Karneval der Rollenspielblogs kurzfristig in den Juli verschoben wurde. Danke noch einmal an Sorben für die Flexibilität und Bereitwilligkeit mit seinem Thema so schnell einzuspringen (inklusive der Betreuung im Forum)! Und noch ein zweites Dankeschön an ihn muss ich hinterschieben beziehungsweise diesem Beitrag voranstellen: Danke dafür, uns mit „Strategie und Taktik“ einen Aufhänger und damit den letzten Motivationsschub zu liefern, endlich ein Thema anzupacken, dass wir selbst schon lange vor uns herschieben – einen ersten Hintergrundartikel zum zeonischen Militärapparat – und dessen Strategie – in unserer Unknown Mobile Suit-Interpretation des Gundam UC-Universums.

Am 3. Januar UC 0079 erklärt das Fürstentum Zeon, ein unabhängiger Cluster von Weltraumkolonien, der Erdföderation den Krieg. Innerhalb der ersten Stunden des Krieges bringen Einheiten von Zeons Space Attack Force der Föderationsflotte empfindliche Verluste bei und beginnen erfolgreiche Angriffe auf drei von vier Kolonieclustern der Föderation. Nach einer Woche ist die Earth Federation Space Force vernichtend geschlagen, die Kolonien sind in zeonischer Hand und Trümmer einer absichtlich zum Absturz gebrachte Weltraumkolonie haben großflächige Zerstörungen auf der Erde angerichtet und die Stadt Sydney in einen Krater verwandelt. Am 1. März UC 0079 beginnt die Eroberung weiter Teile der Erde, als die Truppen der neuaufgestellten Earth Attack Force ihre erste großangelegte Raumlandeoperation in Zentralasien durchführen, und den Weltraumbahnhof Baikonur einnehmen.

Soweit eine Kompaktzusammenfassung der ersten Wochen des Krieges, wie sie in verschiedenen Quellen nachgelesen werden kann und wie sie sich auch bei Unknown Mobile Suit im Spiel ereignet hat.
Aber wie sieht der Blick hinter die Kulissen dieser Geschehnisse aus? Wer sind die zeonischen Truppen? Was sind ihre Ziele? Wie und unter dem Eindruck welcher strategischen Überlegungen sind sie entstanden und haben sich entwickelt?

Das sind Fragen, die uns das Quellenmaterial weder eindeutig noch vollständig beantwortet. Was folgt, ist daher eine Interpretation des Hintegrundes, wie wir sie uns aus verschiedenen oft widersprüchlichen Quellen zusammengesucht, teilweise verändert und mit eigenen Überlegungnen ergänzt haben, um ihn uns zu eigen zu machen und unser Spiel zu unterstützen.
Ein Punkt, auf den wir dabei ein besonderes Augenmerk gelegt haben, waren immer wieder Zahlen. Während diverse Quellen teilweise stark unterschiedliche Angaben zu Truppenstärken und Produktionszahlen von Kriegsgerät für den One Year War liefern, waren für uns so gut wie alle diese Angaben (und gerade die häufiger zitierten und besser akzeptierten) zu niedrig, um das Spielgefühl, das wir von Anfang an angestrebt hatten, sinnvoll zu tragen. Für Unknown Mobile Suit wollten wir tatsächlich die Äquivalente zu den „Millionenheeren“ der Weltkriege im Universal Century aufmarschieren lassen. Zeon und die Föderation sollten demnach jeweils achtstellige Zahlen an Soldaten unter Waffen haben (wenn nicht mehr!) und eine entsprechende Menge Kriegsgerät. Unsere Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des zeonischen Militärs sollte also auch der Plausibilisierung eines solchen Endzustandes dienen und nicht etwa die sehr viel niedrigeren Zahlen, wie sie etwa von Quellen wie Entertainment Bible 1 oder Mobile Suit Variation 1 impliziert werden, widerspiegeln.

Phase 0: Untergrund und Unabhängigkeitskampf
In den 50er Jahren des Universal Century wird der auf dem translunaren Lagrangepunkt (L2) gelegene Koloniecluster Side 3 zum Zentrum der Unabhängigkeitsbewegung der Weltraumbewohner, nachdem der geistige Vater des Kontolismus, der Philosoph und Politiker Zeon Zum Deikun, den Cluster zu seiner Wirkungsstätte macht, und Side 3 zum Migrationsziel vieler seiner Anhänger wird.
Parallel zu den legalen politischen Bemühungen Deikuns und seiner Gefolgsleute und Anhänger formiert sich dabei auch ein bewaffneter Arm der kontolistischen Bewegung, dessen Tätigkeiten sich schnell vom Personen- und Veranstaltungsschutz über Einschüchterung und Gewalt gegen den politischen Gegner zu Sabotage, Attentaten und Terroranschlägen ausweiten.
Der Unabhängigkeitskampf von Side 3 wird somit zu einer Zeit intensiver politischer Gewalt. Ein unerklärter, langsam schwelender Bürgerkrieg, punktuiert von Guerilla- beziehungsweise Terroraktionen gegen die in den Kolonien stationierten Polizei- und Militäreinheiten der Erdföderation und ihrer Einrichtungen.
Der harte Kern von Terrorkämpfern, die Bomben legen, Polizeistationen überfallen, Politiker ermorden oder Militärpatrouillen aus dem Hinterhalt heraus angreifen, ist dabei umgeben von einem Heer an gewaltbereiten Saal- und Straßenschlägern, in deren Parteiorganisationen die Terrorzellen – häufig nur nominell verschleiert – eingebettet sind, und einer noch größeren Masse an Sympathisanten und Helfern.
Das Endziel ist es, den Willen der Föderation zur Fortführung der „Besatzung“ Side 3s zu brechen, wobei jede Gegenmaßnahme des Staats- und Sicherheitsapparates propagandistisch entsprechend ausgeschlachtet wird. Die tatsächlichen wie die wahrgenommenen Benachteiligungen der Kolonisten und die bis zur Selbstblockade reichende Trägheit des föderalen Systems, die sowohl Reformen als auch weitreichende entschlossene Aktionen (wie eine Zerschlagung der kontolistischen Organisationen) verhindert, spielen den Kontolisten mit ihre revolutionären Ideologie, ihren klaren Zielen und straffen Führung dabei enorm in die Hände.

Phase 1: Staatsgründung und Republikanische Garde
Nach sieben Jahren des politischen und gewaltsamen Kampfes gibt sich die Erdföderation UC 0059 schließlich geschlagen. Sie zieht ihre Garnisonstruppen von den Side 3-Kolonien ab, während von den Kontolisten unter Deikun die Unabhängigkeit von Side 3 erklärt und die Republik ausgerufen wird, die unter dem frenetischen Beifall seiner Anhänger seinen Namen erhält – Zeon.
Mit der Staatsgründung wird auch die Republikanische Garde Zeons etabliert, die sich, sofern sie nicht sogar in ihren Strukturen direkt mit ihnen identisch ist, aus den offiziellen und inoffiziellen paramilitärischen Gruppen, die während der vorhergehenden Jahre den bewaffneten Arm der kontolistischen Bewegung darstellten, rekrutiert.
Sie ist so einerseits aufgebaut aus den Veteranen eines siegreichen Guerillakampfes und Bürgerkrieges, Kämpfern – nicht Soldaten -, die ihr Handwerk in Straßenschlachten, beim Bombenlegen, und bei Überfällen auf Nachtclubs und Kontrollpunkte erlernt haben. Andererseits muss auch klar sein, dass es dieser neuen Organisation nicht völlig an Personen mit echter militärischer Ausbildung und einem professionellen Hintergrund mangelt, da der Kontolismus seine Anziehungskraft auch auf im Weltraum lebende beziehungsweise dort geborene Soldaten und Offiziere der Erdföderation ausübt – vielleicht auf sie sogar noch mehr als auf andere Spacenoids, da für sie die Repression der Föderation, die gläsernen Decken und die (Gegen-)Gewalt gegen eine unzufriedene Kolonialbevölkerung, noch einmal auf eine andere Art und Weise erlebbar gewesen sein muss.
Zumindest für den Augenblick ist die republikanische Garde hauptsächlich ein politisches Instrument, ein Mittel zur Demonstration staatlicher Souveränität, eine Möglichkeit der Belohnung für treue Anhänger – und ein Werkzeug die Reste föderaler Opposition und andere „konterrevolutionäre“ Kräfte auszuschalten und den Machtanspruch der Kontolisten zu zementieren, auch wenn die Milliarden-Bevölkerung von Side 3 tatsächlich zum größten Teil hinter Deikun und der Republik steht.
Außer einer weiteren Formalisierung von Strukturen, Rängen und Uniformen einhergehend mit ihrem neuen legalen Status bleibt die frühe republikanische Garde Zeons eine direkte Fortführung der Partei- und Terrormilizen früherer Jahre.

Phase 2: Isolation und Konsolidierung
Die Euphorie über die errungene Unabhängigkeit erhält ihren ersten Dämpfer, als die Führer der Republik feststellen müssen, dass die Erdföderation sich zwar von Side 3 zurückgezogen hat, dieser de facto Anerkennung des neuen Staates aber keine weiteren Schritte folgen. Das Ausscheiden Zeons aus den etablierten Netzwerken der Föderation belasten die Wirtschaft des jungen Staates und die von den überzeugten Kontolisten prophezeite Kettenreaktion an Unabhängigkeitserklärungen der übrigen Sides bleibt aus – vielleicht, weil die Föderation dort ihren Griff verstärkt, vielleicht auch auf Grund der Migration eben dieser überzeugten Kontolisten nach Side 3. Die Republik steht alleine in der von Menschen besiedelten Erdsphäre. Selbst wenn die Föderationsregierung oder die Earth Federation Space Force keine direkten Anstalten machen die abtrünnigen Kolonien mit Gewalt wieder einzugliedern, sind doch auch keine versöhnlichen Töne zu hören und wirtschaftliche Sanktionen und die massive Vergrößerung und Modernisierung der Föderationsstreitkräfte, beginnend im Jahr nach der Unabhängigkeitserklärung, scheint ihre eigene deutliche Sprache zu sprechen.
In Side 3 wird im Folgenden die republikanische Garde zusehends in ein vollwertiges Militär umgebildet. Auch wenn den professionellen Soldaten in ihren Reihen in diesem Zuge eine zentralere Rolle zukommt, ist das dominierende Element dieses immernoch jungen Militärs dennoch der kürzlich bestandene „siegreiche Kampf“, auf den es zurückblicken kann, und der selbst ohne die bereits vollzogene Mythenbildung das Denken auf allen Ebenen bis hinauf zu den allermeisten Entscheidern maßgeblich prägt.
Für den Fall eines neuerlichen Konflikts mit der Erdföderation, wie die politische Lage ihn nun möglich erscheinen lässt, steht also die Wiederholung dieses Erfolges im Vordergrund. Der Schlüssel dazu scheint in im Guerillakampf geschulter Infanterie zu liegen, die dem republikanischen Gedanken und dem konkreten Vorbild des Unabhängigkeitskampfes folgend den Charakter einer Miliz trägt. Der gleichzeitige Wunsch nach erhöhter Professionalität, Hand in Hand gehend mit der Idee von den elitären „Vorkämpfern der Revolution“, ergänzt so ein bürgerwehrartiges Massenheer mit tiefen Reserven mit einem harten Kern aus stehenden Spezialeinheiten. Das gerade zu Beginn noch fehlende schwere Gerät tut zu diesem Ansatz sein Übriges.
Eine zentrale Triebfeder bei dieser Planung, neben der gemachten Erfahrung, dass der Guerillakampf in den Kolonien für Zeon siegreich geführt werden kann, ist dabei auch die schlichte Erkenntnis, dass eine Landung von Föderationstruppen ohnehin nicht verhindert werden könnte. Der republikanischen Garde fehlt es schlicht an den Waffen, die notwendig wären, um einen Vorstoß der Föderationsflotten aufzuhalten.
Der Aufbau einer eigenen Flotte, mit dem Ziel Landeoperationen in Zukunft zumindest behindern zu können, ist demnach eine der frühesten, gegenüber der Verstärkung der Bodentruppen für den Kampf innerhalb der Kolonien aber definitiv nachgeordneten Rüstungsprioritäten.
Es ist hier, wo Raumschiffe wie die Torpedoboote der Jicco-Klasse und Raumjäger wie Gobble und Gattle ihren Ursprung haben, die mit ihrer kurzen Reichweite und schweren Raketenbewaffnung ideal auf die Verteidigung von Stützpunkten und Kolonien gegen Grosskampfschiffe beziehungsweise für den Angriff auf von solchen geschützte Landungsschiffe zugeschnitten sind.
Dabei bleibt trotz ihrer Rolle als bestimmender Waffengattung die Ausstattung der Bodentruppen mit schwerem Gerät allerdings dennoch spärlich. Ein Umstand, der sich aus einer Kombination der Rolle der Flotte, die das Anlanden schweren Geräts durch einen Angreifer behindern soll, und der Beschaffenheit des Geländes in den Kolonien, wo die Kämpfe erwartungsgemäß primär in den dicht bebauten Städten an den Polkappen der Zylinder, beziehungsweise direkt in den Industrie- und Hafenblocks stattfinden werden, erklärt. Hier aber sind aber in der Vorstellung der zeonischen Planer vor allem leichte Fahrzeuge zur Mobilitätssteigerung und Unterstützung der Infanterie sowie deren großzügige Ausstattung mit eigenen Unterstützungswaffen gefragt.
Die dritte und letzte Komponente im Rüstungsprogramm und der Abwehrstrategie der Republik Zeon ist der Aufbau eines Arsenals an Massenvernichtungswaffen, insbesondere Kernwaffen, um langfristig ein Mindestmaß an Abschreckungspotential zu erreichen – und um die Mittel für eine ultimative Form verbrannter Erde in die Hände zu bekommen.

Phase 3: Machtwechsel und Machtprojektion
Bis zu seinem Tod kurz nach dem zehnten Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung scheint Zeon Zum Deikun als unangefochtener Übervater der Revolution die Geschicke der Republik fest in seinen Händen zu halten. Tatsächlich stützt er sich dabei aber notwendigerweise auf verschiedene Machtblöcke, die von seinen alten Verbündeten und Anhängern geführt werden, ihrerseits ihren Einfluss auf ihn geltend machen und sich untereinander teilweise feindselig gegenüberstehen. Nach Deikuns Tod bricht ein Machtkampf aus, der Side 3 so noch einmal in einen Strudel der Gewalt hinabreißt, der nicht nur wirtschaftlich und politisch einflußreichen sondern auch tief in der republikanischen Garde und anderen Teilen des internen Sicherheitsapparates verwurzelten Zabi-Familie gelingt es allerdings schnell, diese Auseinandersetzung für sich zu entscheiden. Ein Jahr nach dem Tod Deikuns lässt sich seine ehemalige rechte Hand, Degwin Sodo Zabi, ohne Opposition zum ersten Fürsten des Fürstentums Zeons ausrufen.
Der trotz seiner im Kern revolutionären Natur stark nach innen gerichtete Kontolismus Deikuns greift unter den Zabis nach außen. Die Vorstellung der – vielleicht auch erzwungenermaßen – autonomen und autarken Side weicht der Idee der Autonomie des Handelns über den Bereich des Lagrangepunktes hinaus und der Autarkie unter Erschließung eigener Rohstoffquellen.
Während die Bodentruppen weiterhin der Garant für die Freiheit des Fürstentums (auch von möglichen Oppositionsgruppen) bleiben, gewinnt die Flotte unter diesen Bedingungen an Bedeutung, um die Grundlage für einen von der Duldung der Erdföderation wenigstens ansatzweise unabhängigen Aktionsrahmen innerhalb des Sonnensystems zu schaffen. Die ersten Jahre der Zabi-Herrschaft sehen so auch die Konstruktion der ersten Großkampfschiffe Zeons. Diese Schiffe sind zwar primär konventionell bewaffnet, aber von Beginn an darauf ausgelegt, auch als Kernwaffenträger eingesetzt werden zu können.

Phase 4: Aufschwung und Modernisierung
Von Beginn an erntet das Fürstentum Zeon die Früchte der schweren Aufbau- und Pionierarbeit der Republik, deren Effekt durch die Orientierung nach außen, die Investition in die Heliumgewinnung im Jupitersystem und Bergbauoperationen im Asteroidengürtel, noch weiter potentiert werden. Vor allem aber macht sich die Anziehungskraft, die der Kontolismus schon früh auf viele Wissenschaftler ausübte, jetzt mit voller Kraft bemerkbar und wissenschaftliche und technologische Durchbrüche erlauben es dem Fürstentum sich von der Föderation abzusetzen – auch in militärischer Hinsicht.
Experimente mit Minovsky-Partikeln in der Ortungsstörung liefern mittelfristig die Grundlage für eine völlig neue Theorie der Raumkriegsführung, da sie existierende Lenkwaffen, Zielsysteme und Raketenabwehr ad absurdum führen.
Die ersten Megapartikelkanonen machen Zeons zweite Klasse an Großkampfschiffen zu den kampfstärksten der Erdsphäre und deklassieren schlagartig sämtliche Einheiten der Föderationsflotte.
Und der ultrakompakte Fusionsreaktor liefert die Grundlage für die nächste Generation an Raumkleinkampfmitteln – die Geburtsstunde des Mobile Suits, dessen Endform mit den Möglichkeiten, sowohl im Raum als auch innerhalb von Kolonien und deren bebauten Zonen zu operieren, die optimale schwere Multifunktionseinheit für ein zahlenmäßig unterlegenes Militär darstellt, dessen gesamtes Denken traditionell auf einen zweiphasigen Kampf erst außerhalb und dann innerhalb von Weltraumkolonien ausgerichtet ist.
Die qualitative Überlegenheit, die aus diesen technologischen Entwicklungen geschöpft wird, stellt allerdings ein bestenfalls unvollkommenes Gegengewicht zu den schieren materiellen Möglichkeiten der Erdföderation dar, die mit einem neuerlichen Rüstungsprogramm zudem auch zu einer technologischen Aufholjagd ansetzt.
Unangefochten davon bleibt allerdings die Überzeugung von den eigenen Ideen zu den Möglichkeiten des Minovsky-Schlachtfeldes und die Überheblichkeit als Einzige über diese Erkenntnisse zu verfügen und ihre ganze Tragweite abzuschätzen.
Die Möglichkeit, eine militärische Konfrontation mit der Föderation nicht nur durch eine erfolgreiche Verteidigung innerhalb eigener Kolonien oder einen für die Föderationsregierung inakzeptabel hohen Blutzoll zu überstehen, wird so erstmals ins Auge gefasst.

Phase 5: Eskalation und Intervention
Die unter den Zabis mehr noch als zu Zeiten der Republik gegebene Verzahnung zwischen militärischer und politischer Führung verleiht solchen Überlegungen und Planspielen eine besondere Brisanz und führt in den späten 70er Jahren zu einer immer selbstbewussteren und aggressiveren zeonischen Außenpolitik.
Neben Plänen zu einer offensiven Kampfführung der Flotteneinheiten rückt auch die bisher stets sekundäre aber seit ihren Gründungstagen nie gänzlich aufgegebene Rolle der Bodentruppen verstärkt in den Fokus der Planer – zwar liegt das Hauptaugenmerk der Bodentruppen wie mehrfach beschrieben auf Verteidigungsmaßnahmen, aber alleine schon das tief verankerte ideologische Diktum vom Umsturz nicht in einem einzelnen Koloniecluster wie Side 3, sondern der kompletten Beseitigung des gesamten föderalen Systems, kombiniert mit dem traditionsstiftenden Präzedenzfall des Unabhängigkeitskampfes geben auch Überlegungen, wie auch die übrigen Kolonien von der „Fremdherrschaft“ der Erdföderation „befreit“ werden können, ihren Raum. Ein Raum der sich nun, als die Beschränkung durch unzureichende Mittel zu entfallen scheint, weithin zu öffnen beginnt. Dabei ist es auch der Mobile Suit in seiner beschriebenen Rolle als multifunktionales Waffensystem, der entscheidend zu diesen Planungen beiträgt.
Als Side 6 seine Unabhängigkeit erklärt, erkennt das Fürstentum nicht nur umgehend die, von der schon lange zeonisch unterstützten Unabhängigkeitsbewegung gebildete, Regierung an, sondern entsendet auch ein Truppenkontingent, um die Riah-Republik zu schützen. Die überrumpelte Erdföderation verzichtet auf ein Eingreifen, aber der vermeintliche Coup zeonischer Außenpolitik fungiert auch als Weckruf für die Föderation, deren Entscheidungsorgane sich uncharakteristisch entschlossen hinter einer Falkenfraktion und einer „bis hierhin und nicht einen Schritt weiter“-Losung sammeln.
Diese Verhärtung der Fronten im Angesicht eines so nahe erscheinenden Erfolges, die wahrgenommene Bedrohung durch eine an Entschlossenheit gewinnende Föderation, und das sich schließende Fenster der scheinbaren eigenen technisch-militärischen Überlegenheit, setzen in der Führung des Fürstentums eine fatale Kettenreaktion in Gang.
Ein finaler Rüstungswettlauf, der nun ganz im Zeichen eines geplanten Angriffs mit dem Ziel steht, die Erdföderation als Machtfaktor in der Erdsphäre zu beseitigen. Der Militärapparat wird auch organisatorisch umgebildet, und entlang der in diesem Zusammenhang gestellten Aufgaben in Teilstreitkräfte zerlegt, mit der aus dem Gros der Großkampfschiffe gebildeten Space Attack Force, den Mobile Suit-Verbänden und Spezialkräften in der Mobile Assault Force, und dem Home Defence Corps mit den für die Verteidigung von Side 3 vorgesehenen Eineiten.

Phase 6: Krieg
Als Datum für den Angriff wird letztendlich der 3. Januar UC 0079 festgesetzt.

Phase 6.1: Enthauptungsschlag – One Week Battle
Ausgehend von den eigenen begrenzten Mitteln, des stark zentral organisierten Föderationsmilitärs und der trotz der letzten Entwicklungen immernoch als schwach bewerteten politischen Führung der Erdföderation, sieht der zeonische Kriegsplan einen massiven Eröffnungsschlag vor, der die Föderation so erschüttern soll, dass sie sich direkt zur – bedingungslosen – Kapitulation gezwungen sieht.
Mittels Minovsky-Partikeln getarnte Raumflotten sollen zeitgleich – und gleichzeitig mit der offiziellen Kriegserklärung – drei (von vier) Föderationskolonieclustern angreifen, die dort liegenden Schiffe der Earth Federation Space Force versenken und den Widerstand der Garnisonstruppen brechen. Dabei sollen die Hauptkräfte der Föderationsflotte im vierten Cluster und der Asteroidenfestung Luna II zunächst umgangen werden.
In einer sich direkt anschließenden zweiten Phase soll eine der eroberten Kolonien aus ihrer Bahn gelenkt und über dem zentralen Hauptquartier des Föderationsmilitärs, eine kernwaffensichere unterirdische Anlage in Südamerika, die gleichzeitig den modernsten und größten Rüstungskomplex der Föderation beherbergt, zum Absturz gebracht werden.
Der Angriff auf die Kolonien gelingt. Operation British, der Abwurf der Kolonie, scheitert allerdings in letzter Sekunde. Die Föderationsflotte erleidet zwar empfindliche Verluste bei ihrem vergeblichen Versuch, das gewaltige Geschoss aufzuhalten, aber die Kolonie zerbricht beim Eintritt in die Erdathmosphäre. Ihre Trümmer richten zwar global massive Verwüstungen an, verfehlen aber ihr eigentliches Ziel.

Phase 6.2: Paradigmenwechsel – Loum
Zu diesem Zeitpunkt ist der bisherige zeonische Kriegsplan effektiv gescheitert.
Nach den errungenen Erfolgen gegen die Erdflotten schwenkt das zeonische Oberkommando nun um, und versucht die Earth Federation Space Force komplett zu zerschlagen und die vollständige Kontrolle über den Weltraum zu erringen.
Nach ihren wiederholten Niederlagen in der ersten Woche des Krieges ist die Föderation bereit sich der von Zeon angebotenen offenen Raumschlacht beim letzten noch von der Föderation kontrollierten Koloniecluster, Loum, zu stellen, überzeugt davon mit ihrer immer noch erdrückenden numerischen Überlegenheit und ohne die Nachteile aus Überraschung und dem Zwang zum Angriff auf die anfliegende Kolonie die zeonische Flotte ihrerseits vernichtend schlagen zu können.
In der Schlacht von Loum bewahrheitet sich allerdings die von den zeonischen Planern prophezeihte Unfähigkeit der Föderationsmilitärs, die Bedeutung von Minovsky-Partikeln für den Raumkampf richtig einzuordnen. In einem Kampf Schiff gegen Schiff, unterstützt von konventionellen Raumjägern, hätte die Rechnung der Föderationsstäbe aufgehen können. Aber die auf den Kampf unter Minovsky-Bedingungen optimierten Mobile Suits, die hier erstmals massiert im Raumkampf zum Einsatz kommen, verwandeln Loum in ein Massaker, dem allerdings ein Teil der Föderationsflotte entfliehen kann.
Loum wird damit zu einem Wendepunkt – auch für Zeon, die einen so durchschlagenden Erfolg ebenfalls nicht erwartet hatten: Während bis zu diesem Zeitpunkt, die Stärke einer Raumflotte stets an Hand der Frage „wie viele Schiffe?“ bewertet wurde, wird diese Frage ab Loum lauten „wie viele Mobile Suits?“.

Phase 6.3: Ausweitung – Schwerkraftfront
Die Waffenstillstandsverhandlungen, die die geschockte Erdföderation nach der Schlacht von Loum aufnimmt, scheitern, nachdem eine erfolgreiche Geheimdienstoperation, bei der auch der bei Loum in Gefangenschaft geratene Oberkommandierende der Föderationsstreitkräfte befreit werden kann, das Ausmaß offenlegt, in dem auch die bewaffnete Macht des Fürstentums Zeon von den bisherigen brutalen Kämpfen in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Den Kriegsparteien gelingt zwar das kleine Wunder sich auf eine Ächtung der bisher von beiden Seiten vor allem in taktischem Rahmen wiederholt eingesetzten Massenvernichtungswaffen zu einigen und andere Kriegskonventionen zu vereinbaren, aber der Krieg geht weiter.
Die strategische Initiative liegt nach wie vor bei Zeon. Allerdings reichen im Weltraum die eigenen Kräfte nicht mehr aus, um Side 3 und die eroberten Kolonien zu sichern und gleichzeitig eine Offensive gegen die in der Festung Luna II verschanzten Reste der Föderationsflotte zu führen.
Stattdessen entscheidet sich das zeonische Oberkommando zu einem neuerlichen Strategiewechsel. Während im Weltraum zur Verteidigung übergegangen wird, wird in einer nochmaligen Umbildung aus Einheiten und Reserven des Home Defense Corps, der Space Attack Force und der Mobile Assault Force die Earth Attack Force formiert, an der Schwerkraftfront den Sieg erzwingen soll.
Die direkten Nachfolger der Verbände, die vor über zwanzig Jahren aus dem Untergrund heraus den Unabhängigkeitskampf von Side 3 führten, stehen damit wieder an der vordersten Front Zeons. Der Kreis schließt sich.


Next Time on Unknown Mobile Suit:

Episode 50.

Ein Kommentar


  1. Hallo und, wie ich an anderer Stelle schon sagte, lieber spät als nie, Danke für den Beitrag zum Juni Karneval. Der Abschlußartikel ist gerade online gegangen, möchte aber auch auf diesem Wege für die Teilnahme Danke sagen. Finde den Artikel auch gut, weil er Strategie von einer höheren Ebene betrachtet, also Eroberung und Krieg.

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