Unknown Mobile Suit – Gundam trifft Unknown Armies

ums_1
Rollenspielumsetzungen für Gundam gibt es wie Sand am Meer. Warum also noch eine? Und warum auf Basis von Unknown Armies?

Dazu vielleicht zunächst ein kurzer Blick auf die üblichen Verdächtigen. Aus der wirklich breiten Auswahl an kommerziellen, frei erhältlichen und selbstgemachten Mecha-Rollenspielen (einige aus der ersten Gruppe haben die Teilzeithelden im April präsentiert) …

  • sind einige direkt auf Gundam zugeschnitten (von Gundam Senki zu Eigenbauten wie Gundam Tactics),
  • andere ebenfalls aber mit abgefeilter Seriennummer (zum Beispiel bei Dream Pod 9s Jovian Chronicles),
  • wieder andere sind allgemeiner gehalten (wie der Genreklassiker Mekton, oder auch Chris Perrins hervorragendes Mecha),
  • legen ihren Fokus auf andere Ausprägungen des Genres (beispielsweise Dream Pod 9s bekanntere Reihe Heavy Gear, mit ihren starken Anleihen an Armored Trooper Votoms),
  • mischen bunt zusammen (CthulhuTech mit seinen diversen Elementen von Neon Genesis Evangelion bis Macross kommt in den Sinn)
  • oder haben sich verselbstständigt (so lässt sich das Battletechuniversum mittlerweile wohl kaum anders als als eigenständig begreifen).

Von spezifischen Vorlagen und Settings einmal abgesehen, liegt der Fokus des Gros dieser Spiele mal auf der detail-verliebten Abbildung der Kriegsmaschinen (und gegebenenfalls ihrer Piloten), mal auf schneller und explosiver Kampfabwicklung und/oder – in dieser Linie weitergedacht – der Übertragung von wiederkehrenden Elementen und Erzählstrukturen aus Mecha-Animes ins Spiel. Von letzterem aus besteht dann auch die Verwandtschaft und sogar Vermischung mit solchen Spielen, die sich nicht exklusiv Mecha-Animes, sondern Animes im Allgemeinen widmen.

Gerade diese Ansätze helfen jedoch nur sehr begrenzt weiter, wenn – wie bei Unknown Mobile Suit – die Zielstellung von Beginn an eine andere ist.

Geboren wurde Unknown Mobile Suit aus einer Idee heraus, die ich vor ungefähr einem Jahr auch schon im Tanelorn skizziert habe, die uns zu diesem Zeitpunkt allerdings schon deutlich länger umtrieb:

Gundam-Rollenspiel im One Year War, also vor dem Hintergrund der ersten Gundam-Serie (und diverser folgender). So weit erst einmal nichts Besonderes.
Unser Hauptaugenmerk wollten wir dabei allerdings nicht nur auf Gefechte in Mobile Suits oder das Einfangen und Nachempfinden von Animeelementen legen (beides spielte natürlich trotzdem eine Rolle), sondern ganz besonders auf die Anti-Kriegsthematik, die in Gundam ja ebenfalls sehr stark ausgeprägt ist.
Daraus abgeleitet und ergänzend dazu kamen konkrete Einzelausprägungen in das geplante Zentrum unserer Aufmerksamkeit – die Idee vom „Kinderkreuzzug“, vom Krieg als Triebfeder technischer Entwicklung, von den politischen und wirtschaftlichen Interessen und angeblichen Notwendigkeiten, und allem anderen voran der ganze Komplex von Sinnlosigkeit, Eskalation, Propaganda, Feindbildern, Lüge und Wahrheit, vom „Verlust der Unschuld“ und von der ewigen Entschuldigung „ich habe nur meine Befehle befolgt“.

Konkrete Inspirationen und Einflüße kommen dabei natürlich aus (Early) UC Gundam und, den ausgewalzten Einzelthemen entsprechend, aus – hauptsächlich deutschen – (Anti-)Kriegsfilmen und -büchern.

Gundam-Inspirationen (Anti-)Kriegsinspirationen
Mobile Suit Gundam 08/15
Mobile Suit Gundam: The 08th MS Team Das Boot
Mobile Suit Gundam 0080: War in the Pocket Des Teufels General
MS IGLOO: The Hidden One Year War Die Brücke
MS IGLOO: Apocalypse 0079 Im Westen nichts Neues
MS IGLOO 2: The Gravity Front Stalingrad
The Plot to Assassinate Ghiren Zabi The Machine Gunners
Mobile Suit Gundam 0083: Stardust Memory Unsere Mütter, unsere Väter
Mobile Suit Zeta Gundam Zeit zum Leben, Zeit zum Sterben

Für so etwas liefern die klassischen (und weniger klassischen) Mecha- und Gundam-Systeme mit ihren oben skizzierten Foki aber nicht wirklich das passende Handwerkszeug, und so lautet die Antwort auf die Eingangsfrage „Warum noch eine Rollenspielumsetzung für Gundam?“ schlicht:

„Weil die vorhandenen Umsetzungen den Anforderungen gar nicht oder nur zum Teil genügen.“

Das, und Bastelwut.

Der Anforderungskatalog, der aus unseren beschriebenen groben Vorstellung für das Spiel entstand, beinhaltete im Einzelnen folgende Eckpunkte:

  • Eine starke Stress-/Sanitymechanik, um die psychische Belastung und Veränderung der Soldaten in und durch die Extremsituation des Krieges abzubilden
  • Eine Form von Lifepath-Charaktererschaffung, um von Beginn an plastische Figuren mit Geschichte und Beziehungen bereitzustellen
  • Ein einfaches und robustes System, um die Persönlichkeit von Figuren zu notieren
  • Regeln für Mobile Suits, die sowohl die graduellen Verbesserungen (vom MS-06A Zaku II Early Type zum MS-06C Zaku II Early Production Type zum MS-06F Zaku II) als auch die großen Umwälzungen (vom RRF-06 Zanny zum RGM-79 GM zum RX-78NT-1 Gundam „Alex“) in der Technologie darstellbar und spürbar machen
  • Ein Kampfsystem für Mobile Suits, das Miniatureneinsatz in Form von 1:144 Gunpla-Bausätzen unterstützt
  • Modularität und leichte Modifizierbarkeit der Regeln, um im laufenden Spiel gut nachjustieren und experimentieren zu können

Eine solche Mischung, wie gesagt, bietet so erst einmal kein System in seinem direkten Lieferumfang – zumindest nicht in einer Form, die uns wirklich überzeugt hätte.

Warum dann aber Unknown Armies als Basis?

Zum einen weil es ja nicht einfach nur die Mischung ist, die den existierenden Mechaspielen im Großen und Ganzen abgeht, sondern auch ein Element – und zwar gleich das erste und wichtigste aus der obigen Liste – in ihnen quasi gar nicht zu finden ist: Stress.
Und Stress ist die Paradedisziplin von Unknown Armies, das sich damit – obwohl gar nicht primär auf diesen besonderen Verwendungszweck ausgelegt – als extrem gute Basis für das so gewichtige Anti-Kriegsthema präsentiert.
Gerade die Aufgliederung psychischer Belastung auf mehrere Aspekte in Unknown Armies, ja – mit Ausnahme von Übernatürlichem – auch die Wahl dieser Aspekte selbst und ihre zweidimensionale Entwicklung in Bezug auf Trauma und Abhärtung samt angeschlossenen Hinweisen für die Auswirkung auf die Persönlichkeit erfüllt die zentrale Anforderung im Prinzip bis auf das i-Tüpfelchen.

Zum anderen ist da ganz simpel der W100 zu nennen. Damit bedient sich Unknown Armies eines simplen, vertrauten Grundmechanismus kombiniert mit einer großen Wertespanne, die den Anbau der fehlenden Aspekte inklusive der Umsetzung der detaillierten Auflösung technischer Verbesserungen erleichtert.
Dass Unknown Armies darüber hinaus bereits in seiner Grundform modular präsentiert wird und dementsprechend leicht in Einzelteile zerfällt (und die Ergänzung eigener Elemente unterstützt und sogar fordert), tut dazu noch sein übriges.

Während die eher „charakter-zentrierten“ Elemente des Anforderungskatalogs, Stress und Persönlichkeit (letztere durch die kompakte und dabei sehr sprechende Art der Werte in Unknown Armies), und Modularität/Modifikationsfreundlichkeit also von Unknown Armies bereits von Hause aus geboten werden, sind Lifepath und Mobile Suits natürlich zunächst nicht einmal ansatzweise vorhanden.
Ersterer allerdings lässt sich relativ einfach nachrüsten, zumal die freien Fertigkeiten von Unknown Armies seine Notwendigkeit stark zurückschrauben. Letzteres wiederum bedeutet einerseits einen hohen Aufwand, der aber andererseits – wie erwähnt – mit den bereits etablierten Wertespannen und der generellen Modularität des Spiels gut zusammengeht.

Hinzu kommt, dass auch die Masse anderer antikriegs-tauglicher Spiele (gemeint sind Spiele, die nicht auf das Mecha-Genre abzielen, aber – ähnlich wie Unknown Armies eben – über starke Mechanismen verfügen, um den Anti-Kriegsaspekt zu transportieren), die wir in Betracht gezogen haben, in Sachen Mobile Suits logischerweise meist ebenso versagt, ohne dabei ähnlich gute Anknüpfpunkte für die Erweiterung im Sinne der verfehlten Anforderungen zu bieten.
Davon, dass sie meist beim Stress auch noch schlechter dastehen, ganz zu schweigen.

Bisher haben wir die Entscheidung für Unknown Armies als Grundlage für eine Gundam-Rollenspielumsetzung auf jeden Fall nicht bereut.


Next time on Unknown Mobile Suit:

Nach dieser Vorrede wollen wir nun nach und nach unsere Regeln und Überlegungen zu Unknown Mobile Suit präsentieren, und gegebenenfalls auch Informationen zu der laufenden Kampagne und unseren Interpretationen und Anpassungen des Settings, auf denen sie fußen.

Als Nächstes kommen auf jeden Fall die Abweichungen zu Unknown Armies in Bezug auf die Charaktererschaffung und Charaktere im Allgemeinen, dicht gefolgt von einem Überblick über die Umsetzung von Mobile Suits und die Beziehung zwischen MS und Pilot, sowie über die Regeln für größere Gefechte.

2 Kommentare


  1. Das ist doch ein schöner Artikel zum Thema „Was steckt eigentlich hinter Unknown Mobile Suits“. Würd ich da immer verlinken, mir wird jetzt endlich klar, woher das „Unknown“ kommt …

    Antworten

  2. Vom unbekannten Soldaten.

    Aber stimmt, den Link hatten wir am Anfang meistens drin und haben ihn jetzt häufiger weggelassen. Sollte wohl wirklich der Einfachheit halber wieder dazu. Danke für den Hinweis.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert