Zornhau macht es spannend

Suspense
Zornhau organisiert wieder einen Karneval der Rollenspielblogs. „Wie dreht man an der Spannungsschraube?“ lautet das Thema, das sich dieses Mal als sehr weit aufgespannt entpuppt – und das obwohl der eigentliche Artikel mir gleichzeitig ungewohnt kurz erscheint.

Ich meine auch an diesem Thema wieder einmal zu erkennen, wie unterschiedlich Zornhaus und meine Vorstellung von Praxisrelevanz zu sein scheinen. Aber unabhängig davon wie spannend (oder auch nicht) das sein mag, die weiteren Überlegungen dazu gehören erst einmal nicht so recht hierher, und es muss bei einer kurzen historischen Her- und Überleitung zur Bearbeitung des Spannungsthemas bleiben.

Karnevalsthemen dienen uns bei d6ideas hauptsächlich als Startpunkt für Assoziationsketten oder als „random topic generator“, wie yandere es kürzlich so schön ausdrückte. Bei den sehr konkreten Fragestellungen Zornhaus führte das ganz entgegen der klar kommunizierten Intention des versaliengewaltigen Initiators dazu, dass wir bei „Battlemap-Alternativen für Battlemap-Muffel“ über zoniertes Miniaturengelände und auf diesem aufbauende Regeln für UMS berichteten, und aus „Neue Version – was nun?“ in Umkehrung ein „Was nun? – Neue Version!“ in Form der Auf dem Sklavenmarkt-Edition von Beutelschneider machten. Und auch dieses Mal komme ich an das Thema aus einer eingeschränkten, kleinteiligen, mechanischen Richtung, im besten Falle einer Tangente des Themenkreises:

Festgebissen habe ich mich a der sich aufbauenden Spannung, die auf ein einschneidendes Ereignis, eine schlagartige Klärung und Auflösung zusteuert.

In verregelten, würfelgetriebenen Spielsituationen passiert solches in gewissem Sinne von alleine. Wenn ich 5.000-mal würfele, dann stehen die Chancen gut, dass ein entsprechend extremes Ergebnis darunter sein wird, in dem sich das ganze Geschehen entlädt.

Aber andererseits ließe sich das natürlich auch forcieren. Am einfachsten umsetzbar ist dieser spezielle Ansatz dabei in Systemen, die minimal und maximal-möglichen Würfelergebnissen bereits von sich aus besondere Bedeutungen zuordnen, beispielsweise der automatische Fehlschlag bei Angriffen oder Rettungswürfen bei einer natürlichen 1 und der automatische Erfolg bei einer natürlichen 20 auf dem W20 in diversen Spielen der d20-Familie, oder der kritische Erfolg bei einer natürlichen 01 und der Patzer bei einer natürlichen 00 in Unknown Armies.
In ausgedehnten Spannungssituationen wird nun einfach die Spanne an den Enden der Ergebnisskala, die zur Auslösung der Sondereffekte führt, mit fortschreitender Zeit vergrößert. In der ersten Runde sind es die natürliche 1 und die natürliche 20, die die Effekte auslösen, in der zweiten die natürliche 1-2 und die natürliche 19-20, in der dritten 1-3 und 18-20, in der vierten 1-4/17-20, …

Löst sich eine Situation also nicht einfach (durch „normale“ Ergebnisse/durchschnittliche Würfe) auf – interpretiert als: die Situation ist besonders „spannend“ -, dann läuft alles immer stärker auf einen großen Knall, auf eine Katastrophe, schnell! noch ein K! auf eine Katharsis hinaus, die die Anspannung sich schlagartig entladen lässt. Tension and release.

4 Kommentare


  1. Bei der Mechanik, die im obigen Artikel vorgestellt wird, geht es um den speziellen Fall, daß die Handlung auf ein „einschneidendes Ereignis“ oder eine Art „schlagartige Klärung“ zusteuern soll, um eine sehr bestimmte Art an Spannung zu bieten.

    Das vorgestellte Mechanik-Modell erhöht die Wahrscheinlichkeit, mit der ein an sich – d.h. „normalerweise“ – eher gering wahrscheinliches, extremes Ergebnis beim Einsatz einer Würfelmechanik eintritt.

    Das soll dann die Spannung heben.

    Ich sehe hier das genaue GEGENTEIL als die Folge.

    Wird ein an sich seltenes Ereignis nun immer wahrscheinlicher, dann muß man eigentlich nur noch darauf warten, bis es irgendwann mit Wahrscheinlichkeit 1 eintritt. Das ist dann wie das Warten auf den Bus. Irgendwann wird er SICHER kommen. – Und genauso spannend wie das Warten auf den Bus ist das Warten auf das so oder so wohl aus irgendeinem Grunde auch noch NOTWENDIGE extreme Ergebnis.

    Das ist LANGWEILIG. – Es wird mit zunehmender Wahrscheinlichkeit ja auch die Gewißheit des Eintritts als Grenzwert erreicht, und Gewißheit ist das GEGENTEIL von Spannung. Spannung lebt vom MÖGLICHEN, vom UNSICHEREN, nicht vom sicher Garantierten!

    Und auf der Ebene der regeltechnischen Anwendung der obigen Idee sogar auch noch grauenhaft: Offenbar MUSS für den Anwendungsfall dieser Regel-Mechanik eine Situation gegeben sein, in der die Spieler(charaktere) OHNE ein – wie ja gesetzt normalerweise SELTENES – extremes Ergebnis sogar KEINE CHANCE haben, diese irgendwie aufzulösen!

    Gelangt man im Spiel in eine Situation, die NUR und AUSSCHLIESSLICH durch ein vom jeweiligen Regelsystem selten vorkommendes kritisches Resultat aufgelöst werden KANN, die also alle anderen, nicht-kritischen Resultate als pure Fehlschläge dastehen läßt, dann ist in meinen Augen (sowohl aus SL-Perspektive vom Szenario-Entwurf her, als auch aus Spieler-Perspektive vom Gefühl hier vom SL „verarscht“ zu werden) etwas ganz grundlegend SCHIEF GELAUFEN.

    Die obige Regel-Idee löst also auf unspannende Weise ein Problem, das es besser gleich überhaupt nicht geben sollte.

    Spannend ist hier noch am ehesten das FEEDBACK, daß die dieser Regel-Mechanik unterworfenen Spieler dem SL nach der Anwendung derselben geben.

    Antworten

  2. Eine kleine Anmerkung: Es handelt sich nicht um einen Ansatz für eine Problemlösung. Sondern, wie einleitend – vielleicht unzureichend (aber das sind auch die Teile, die mich weniger interessieren) – beschrieben, um einen gedanklichen Versuch zur Abbildung eines bestimmten Geschehens – der plötzlichen Auflösung/radikalen Veränderung von fortlaufenden Szenen. Damit ist keine Konstruktion solcher Szenen als „problematisch“ verbunden.

    Antworten

    1. Nach dem Kommentar ist mir unklar, was mit dieser Anhebung der Wahrscheinlichkeit extremer Ergebnisse erreicht werden soll.

      Wenn es keine praktischen Bezüge zu einer Situation in einer laufenden Spielrunde hat, warum dann überhaupt einen solchen Regelmechanismus?

      Antworten

  3. Wie gesagt, handelt es sich erst einmal um ein Gedankenexperiment zur Modellierung/Simulation.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert