Rad der Völker

Das Folgende ist eine Sache, über die ich mir schon häufiger einmal Gedanken gemacht habe:

Rassen in Fantasyspielen sind eine merkwürdige Angelegenheit, ganz besonders bei Spielen in der Tradition von D&D. Spielern bedeuten sie sehr viel, weil sie einen so essenziellen Einfluss auf einen Charakter und seine Fähigkeiten haben koennen. Gleichzeitig machen sie in der Spielwelt kaum einen Unterschied. Die Bevölkerung von Siedlungen ist bunt gemischt und jeder lebt mit jedem zusammen, als ob die grundsätzlichen Unterschiede, auf die Spieler solchen Wert legen, überhaupt keine Rolle spielten… … es sei denn natürlich das aktuelle Abenteuer verlangt nach etwas anderem – dann sind die Beziehungen zwischen den Rassen ganz plötzlich gespannt wie eine Bogensehne (obwohl natürlich trotzdem immer noch alle Tür an Tür in dieser einen gemeinsamen Stadt leben).

Die verschiedenen Rassen teilen ein seltsames Gefühl der Zusammengehörigkeit miteinander ohne wirklich miteinander verwandt zu sein. Gnome und Zwerge haben keine gemeinsamen Ahnen und trotzdem werden sie als Brüder dargestellt. Elfen und Zwerge tragen ihre klischeebeladene Fehde aus, was neben undeutlichem Hintergrundrauschen aber allenfalls noch Anlass zu bärtigen „Stumpen“- und „Spitzohren“-Witzen am Spieltisch gibt, aber rein gar nichts daran ändert, dass sie sich gegenseitig als Teil derselben breiteren Gruppe von „guten“, „freien“ oder „halbmenschlichen“ Rassen erkennen.

Was wäre also, wenn die Rassen wirklich miteinander verwandt werden? Und damit meine ich nicht einfach bloß das abgedroschene „klar können Elfen und Menschen Kinder miteinander haben! Halbelfen!“-Gerede, sondern ein echtes Geflecht von Verwandtschaftsverhältnissen, ein allumfassender Kreislauf des (humanoiden) Lebens, der alle und jeden im Blute miteinander verbindet. Halblinge? Das sind die Kinder von Elfen und Menschen. Menschen? Die haben elfische und zwergische Vorfahren.

Plötzlich erscheinen die gemischten Siedlungen auch in einem glaubhafteren Licht. Sie sind schließlich gar nicht gemischt! Die Einwohner gehören ja nun alle zu der gleichen ominösen „guten/freien Rasse“, die ansonsten implizit den getrennten Rassen übergestülpt wurde. Was der Grund dafür ist, dass der menschliche Wirt einen Hocker in Halblingsgröße in seinem Schankraum hat? Weil sein Bruder und zwei seiner eigenen Kinder (die mit seiner ersten Frau) Halblinge sind, Dummchen! Was wäre das für ein Mann, der keine Möbel für seine eigene Familie besitzt?

Gleichzeitig entwickeln Spannungen zwischen den „Rassen“ auf einen Schlag noch sehr viel düsterere und bedrohlichere Aspekte. Völkermord wird zu Brudermord, und die verdrehten Geister, die irgendwie auf die Idee gekommen sind eine Speiche des großen Völkerrades als allen anderen überlegen anzusehen, suchen ihr Heil in unbedingter Ausrottung anstatt in Abgrenzung oder Unterjochung. Wie soll menschliche Überlegenheit auch funktionieren, wenn der Fortbestand der „Menschheit“ stets durch einer Verunreinigung des Blutes gefährdet ist, die buchstäblich Kinder in Nichtmenschen verwandelt? Wenn in nur wenigen Generationen, beginnend mit nur einem einzigen Ork oder Elf oder Zwerg, ein reinblütiges menschliches Reich in den schieren Albtraum des Fantasy-Rassisten, einen Rassen-durchmischten Sündenpfuhl, verwandelt werden kann?

Unten steht ein einfaches Modell eines solchen Völkerrades, das die üblichen D&D-Rassen verwendet (mit Ausnahme von Halbelfen und -orks, für die es bei dieser Fingerübung keinen wirklichen Platz zu geben scheint). Komplexere Räder, beispielsweise aus mehreren geschlossenen Kreisläufen oder zwischen „Ahnenrassen“ und deren Nachkommen differenzierend, sind natürlich auch denkbar. Das Beispielrad bevorzugt Menschen, basierend auf der häufigen Vorstellung, dass Menschen das zahlreichste Volk der Welt sind (in diesem Beispiel gefolgt von Orks).