Einstieg ins Rollenspiel – Thema des von Mentor organisierten Januar-Umzugs beim Karneval der Rollenspielblogs – bedeutet in vielen der möglichen Auslegungen auch „Einstieg“ in einen Charakter. Ganz egal ob zum ersten Mal überaupt – für völlige Neueinsteiger -, zum ersten Mal in einer neuen Gruppe, zum ersten Mal in einem neuen System, einer neuen Spielwelt, neuen Kampagnen, oder eben einfach bloß in den neuen Charakter selbst.
Vorschläge, wie sich dieser Einstieg unterstützen und einfacher gestalten lässt, gibt es zu Hauf. Und in diesen Haufen möchte ich mich einreihen, mit einer Variante einer altehrwürdigen Technik: Des Fragenkatalogs.
Fragenkataloge haben in meinen Augen potentiell zwei große Probleme: Sie ufern aus und sagen (auch und gerade dadurch, dass sie ausufern) dabei wenig.
Vor etlichen Jahren bin ich daher auf einen Katalog umgeschwenkt, der mit nur drei knappen Fragen arbeitet, aber trotzdem einen Charakter (hoffentlich massiv) auf Touren bringt:
1) Die Vornamen der Eltern des Charakters.
2) Mit welcher Hand hält der Charakter beim Frühstück seine Kaffeetasse?
3) Der schönste Traum oder der schlimmste Alptraum des Charakters.
Das war’s.
Warum aber ausgerechnet diese drei Fragen?
Weil sie – besonders natürlich bei der ersten Anwendung – durch ihre eher ungewöhnliche Natur schon direkt Aufmerksamkeit erzeugen. Geweckte Aufmerksamkeit ist aber die beste Voraussetzung, um wirklich einzusteigen.
Es steckt jedoch noch ein wenig mehr dahinter.
Tatsächlich geht es nämlich insgesamt nicht nur um die jeweilige Antwort,
sondern um den Gedankengang, der angestoßen wird, um zu ihr zu gelangen. Auch damit möglichst viel gedacht wird, ist es wichtig, dass die Fragen eben etwas außerhalb des Althergebrachten liegen.
Aber im Einzelnen:
Noch recht vordergründig geht es bei den Eltern natürlich darum, den Charakter aus dem Vakuum herauszuholen.
Dabei ist die Frage absichtlich nicht „Wer sind die Eltern des Charakters?“, sondern eben die nach den Vornamen. Das soll provozieren, sich diese Personen vorzustellen, anstatt sie auf Funktionen zu reduzieren.
Außerdem erzeugen Namen ihrerseits Bilder. Alleine durch ihre Nennung steht da direkt etwas im Raum, und hier haben wir sogar gleich drei Namen (den des Charakters und eben die Eltern) in Kombination zum Preis von nur einer Frage.
Viel (implizite) Information auf minimalem Raum, bildlich, greifbar – perfekt.
Die Kaffeetasse zwingt dazu, sich den Charakter in einer gänzlich alltäglichen Situation vorzustellen. Wer, was und wie ist er, wenn er keine Drachen tötet, Raumschlachten ausficht oder finstere Folianten fabriziert.
wieder geht es auch darum, durch die sehr spezifische Frage (nicht „was macht der Charakter morgens nach dem Aufstehen?“ oder auch „was frühstückt der Charakter?“ sondern eben „mit welcher Hand hält er seine Kaffeetasse beim Frühstück?“) den Spieler direkt in diese Situation hineinzuziehen (zu -stoßen). Er muss ein Bild, eine Szene – konstruiert oder eingegeben – vor seinem inneren Auge haben, anstatt mit Allgemeinplätzen oder vagem Handwedeln die Sache abzuhaken.
Die letzte Frage ist klassischer.
Wobei die Entscheidung – entweder Traum oder Alptraum, nicht etwa beides – doch noch die Dimension der Entscheidung hinzufügt. Was von beidem ist eigentlich das entscheidendere für diesen Charakter? Stellt sich der Spieler den Charakter als jemanden vor, der eher von seinen schlimmen oder eher von seinen guten Erfahrungen geprägt wird?
Darüberhinaus haben die beiden vorhergehenden Provokationen (auch die Reihenfolge der Fragen ist Absicht) hoffentlich einen Grundstein dafür gelegt eben diese klassische Frage schon „aus dem Charakter heraus“ quasi nach bereits erfolgtem „Einstieg“ beantworten zu können.
Und das war’s jetzt wirklich.
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Das sind wirklich gute Einstiegsfragen zur Charakterschaffung. Sich seine Spielfigur beim Frühstück vorzustellen… Daraus lässt sich etwas entwickeln.
Besten Dank dafür!