ArtifactaDay – Wieso? Weshalb? Warum?

d6Manche Artikel kommen eher überraschend über einen. Dieser hier zum Beispiel. Am Ende von ArtifactaDay, womit wir zu Merimacs hier zusammengefassten „Artefakte“-Karneval beigetragen haben, fragte plötzlich yennico, ob ich denn nicht einen Artikel über die Erfahrung mit dieser Art täglichen Bloggens schreiben wollte.

Erste Antwort: Nein? (Ich bin kein allzugroßer Freund solcher „Meta“-Artikel.)
Zweite Antwort: Was genau stellst du dir überhaupt darunter vor? (Aber yennico und ich unterhalten uns relativ häufig über das Drumherum des Bloggens.)
Dritte Antwort: Bis wann? (Challenge accepted.)

Was folgt sind meine Antworten und Gedanken zu eine Batterie konkreter Punkte, die yennico auf meine Nachfrage, was er sich denn vorstellen würde, aufgeworfen hat, sowohl rückblickend auf ArtifactaDay, als auch allgemeiner.

yennico: Jeden Tag einen Artikel bei d6ideas ist etwas besonderes, im Gegensatz zu früher, wo es mal 1-2 Artikel pro 1-2 Wochen gab. Sprich früher nach dem Lust und Laune Prinzip publiziert, derzeit diszipliniert einen Artikel pro Tag.
blut_und_glas: Ich sehe da nicht so den fundamentalen Unterschied. Die tägliche Veröffentlichung folgt ja auch bloß einer Laune (und Lust). Die Disziplin dahinter ist und bleibt reine Selbstdisziplin, und die einzuhalten ist eben letztlich auch bloß eine Art Launefrage. Vielleicht ein bißchen mehr Laune machen statt nur Laune haben. Aber Lust Appetit kommt bekanntlich auch mit dem Essen. Aber ich gebe dir insofern recht, als dass es am anderen Ende, also beim Leser, vermutlich schon ein Unterschied sein könnte. Das steht für mich persönlich aber nicht so hoch oben auf der Prioritätenliste. Mir selbst geht es ums Schreiben. Nicht ums Gelesenwerden.
yennico: Wie fühlt sich das an, jeden Tag einen Artikel zu schreiben?
blut_und_glas: Gut! Ich mag das. Wobei ich nicht wirklich jeden Tag geschrieben habe, sondern teilweise auch mehrere Artefakte in einem Rutsch durchgeschrieben habe, beziehungsweise einige zumindest im Vorraus geplant habe. Artefakte, so wie wir sie bei ArtifactaDay veröffentlicht haben, sind aber auch eine Art Spielbaustein, den ich an sich mag und der mir vergleichsweise leicht von der Hand geht. Eine Aktion AdventureaDay hätte da sicher ganz anders ausgesehen.
yennico: Wie viel Zeit braucht man dafür?
blut_und_glas: Kommt auf den Artikel an? Ich habe das nicht wirklich bewusst verfolgt, aber ich würde schätzen alles in allem vielleicht eine Stunde im Durchschnitt? Auf die Variationen des Einleitungsabschnittes ist dabei jeweils auch ein nicht unbeträchtlicher Teil der Zeit entfallen – mit einer standardisierten Einleitung wäre es also schneller gegangen. Ganz ohne Einleitung, Verlinkung anderer Karnevalsbeiträge und Übersetzungen (der größere Teil der Artikel liegt ja zweisprachig vor) vermutlich sogar deutlich schneller. Bei den Artefakten selbst war es dann so, das einige von ihnen vor allem in der Konzeptionierung Zeit gekostet haben – wie soll es heißen? was soll es genau machen? -, während bei anderen die Ausgestaltung, die eigentliche Formulierung des Textes oder auch nur einzelne Textpassagen/Details, die meiste Zeit in Anspruch genommen haben. Aber das ist eigentlich kein Unterschied zu anderen Artikeln. Dadurch, dass die Artefakte verschiedene Systeme abgedeckt haben, hat sich auch hier kaum ein Geschwindigkeitsvorteil durch Standardisierung ergeben, wie ich ihn zum Beispiel früher beim (auch im Idealfall täglich bedienten) SLA Equipment Blog erzielen konnte. Eine geringe Ersparnis ergab sich bei den Folgeartefakten für ein System (SLA Industries (6), D&D/Freeya (3), Unknown Armies (3), Warhammer 40.000 (3), The Red Star (2) und auch Shadowrun (2) haben im Zuge des Aktion jeweils mehr als ein Artefakt bekommen), und die Einleitungsvariationen gingen natürlich auch schneller als jedesmal eine Einleitung von Null auf zu schreiben.
yennico: Wie entwickeln sich die Leserzahlen?
blut_und_glas: Unser Backend sagt: Effektiv kein Einfluss. Die letzte Augustwoche war gemessen an den Zugriffen der letzten Monate sehr stark, aber ob das nun ein Effekt von ArtifactaDay ist, wage ich eher zu bezweifeln. Immerhin lief die Aktion zu diesem Zeitpunkt schon zwei Wochen, ohne dass es größere Auswirkungen gehabt hätte.
yennico: Was waren gern gelesene Artefaktartikel?
blut_und_glas: Auch dazu gibt das Backend Auskunft: Nach aufgezeichneten Zugriffen waren mit dem Affenkratzer für SLA Industries und den Laborartefakten für Unknown Armies die beiden ältesten/ersten Artikel auch die bisher erfolgreichsten. Auf dem dritten Platz kommt dann der Quantendildo, ebenfalls für Unknown Armies. Die Verlinkung der Unknown Armies-Beiträge im deutschen Unknown Armies-Forum mag zur guten Platzierung beigetragen haben. Das Schlusslicht ist der Ionenspeer für SLA Industries (bei dem mir auch selber die Ausführung nicht wirklich gefällt, obwohl ich die Idee vom durch den Weltraum geschleuderten Speer immer noch interessant finde). Am aller erfolgreichsten waren übrigens yennicos Ringe von Codan Daal für Earthdawn, die parallel zu der ArtifactaDay-Serie als einer unserer Hauptbeiträge zum Karneval entstanden sind.
yennico: Wie ist es kürzere Artikel zu schreiben?
blut_und_glas: Im Vergleich zu längeren Artikeln? … Kürzer? Kompakter. Abgegrenzter. Es ist eben jeweils wirklich nur ein einzelner Baustein, ohne großartige Vernetzung (die ergibt sich höchstens im Zusammenspiel mit weiteren Bausteinen) und auch ohne Erklärungen oder theoretischen Unterbau.
yennico: Wie fühlt es sich an jeden Tag einen Artikel schreiben zu müssen?
blut_und_glas: Mich stört das Wort „müssen“. Ich muss gar nichts. Allerdings ist die öffentliche Natur der Aktion – immerhin habe ich gleich ab dem ersten Tag das Ganze als ArtifactaDay bezeichnet und mit den durchnummerierten Tagen zumindest indirekt singalisiert, dass es eine tägliche Serie werden würde – natürlich auch ein Motivationswerkzeug gewesen. Ich habe mich da freiwillig selbst unter Druck gesetzt (so wie jetzt übrigens auch mit diesem Artikel hier, den ich dir ja zu einem bestimmten Datum – heute – versprochen habe, oder aber auch wie d6ideas an sich, wo mich das Blogformat dazu „zwingt“, ein gewisses Mindestmaß an Ausgestaltung zu betreiben, um aus einer Idee und vielleicht ein paar Notizen einen lesbaren Artikel zu machen). Aber letztendlich hätte es keine Konsequenzen geben können, wenn ich mein Soll nicht erfüllt hätte. Müssen ist also wirklich nicht das richtige Wort. Es geht um Motivation. Und die kann ich mit einer solchen Aufgabenstellung eben gegebenenfalls sogar steigern.
yennico: Macht es Spaß jeden Tag einen Artikel produzieren zu müssen?
blut_und_glas: Ich muss immer noch nichts. Und da ich nicht muss, macht es wohl Spaß. Siehe oben.

Merimac hat in seiner Karnevalszusammenfassung übrigens auch noch eine Frage gestellt, die sehr gut in diese Reihe passt, und die ich deshalb auch noch anhängen möchte:

Merimac: Habe ich ihn dazu mit meiner schwammigen Formulierung in eine perfide Falle gelockt?
blut_und_glas: Ja. Ja, hast du! Quengeleien – speziell über fehlendes Material – haben mich schon immer dazu gebracht, dann eben selbst welches zu erstellen. Früher bin ich dann alternativ eventuell noch die Quengler verbal angegangen, weil mir die bräsige Verweigerungshaltung zu sehr gegen den Strich geht. Weil das aber vermutlich besser für meinen Blutdruck ist, habe ich mich bemüht, damit aufzuhören. Das war sogar einer der Hauptgründe für mich, d6ideas aufzuziehen. Eine Plattform, die ganz gezielt für Material – auch für gemeinschaftlich/interaktiv erstelltes Material – da sein sollte, unter Ausblendung all des negativen, unproduktiven Rauschens – insbesondere auch des eigenen. Dieser Provokationsknopf funktioniert aber immer noch für mich. Aber ich versuche, ihn konsequent in Richtung Material zu verwerten und möglichst wenig zurück ins Trollen, Ranten, andere Formen der Internetaggression oder auch nur das, was im (deutschen) Rollenspielinternet als Diskussion durchgeht, zu verfallen. Am Ende fühle ich mich selbst einfach wohler, wenn ich produktiv bin, und deshalb nutze ich solche Anlässe, um produktiv zu werden, anstatt, um mich aufzuregen (beziehungsweise rege ich mich teilweise trotzdem auf (in diesem Fall hier nicht), versuche aber, dem nicht nachzugeben, sondern stattdessen eben etwas produktives beizusteuern).
Merimac: Hat er meinen Aufruf falsch verstanden und überreagiert?
blut_und_glas: Offensichtlich auch das (falsch verstanden vielleicht nicht, aber überreagiert ganz sicher).

Nach diesem Seelenstriptease aber vielleicht auch noch einmal ein weiterführender Blick, denn sowohl yennico – im Privaten -, als auch Merimac – in seinem öffentlichen Fazit – sprechen natürlich das Offensichtliche an: Wenn das jetzt schon mit ArtifactaDay 22 Tage lang gut funktioniert hat, warum dann nicht mit einem anderen Thema wiederholen? Aber wie? Wann? Zu welchem Anlass? Und welches Thema genau? Kann das überhaupt noch einmal funktionieren?

Natürlich kann das funktionieren. Es ist eben eine Motivationsfrage und damit eine Themenfrage. Artefakte war zumindest für mich eine perfekte Mischung. Eingeschränkt genug, um nicht ratlos zu sein, offen genug, um in viele Richtungen denken zu können, ein Typ Baustein, der in sehr vielen Systemen Platz hat, der Strukturen mitbringt, aber keine zu umfangreichen Anforderungen stellt. Kreaturen beispielsweise, um einmal einen anderen typischen Baustein zum Vergleich heranzuziehen, haben je nach System wesentlich umfangreichere Anforderungen – das vollständige Werteprofil eines Critters ist in Shadowrun nun einmal einfach länger, als das, was ich – oder auch Sprawldogs oder Aus den Schatten – an Regeln für die Artefakte während des Karnevals geliefert haben. Zaubersprüche wiederum kommen in vielen Spielen gar nicht vor (während Artefakte bei etwas breiterer Auslegung – also nicht bloß „magische Gegenstände“ – so gut wie universell sind). Die Schwierigkeit, wenn es äquivalent funktionieren soll, liegt also in der Themenwahl. Wobei auch eingeschränkte Themen sehr gut funktionieren können – aber den Interessentenkreis eben auch entsprechend beschränken.
Ansehen würde ich mir eine weitere Aktion in jeden Fall. Ob ich auf sie einsteigen würde? Das ist am Ende eine Frage von Lust und Laune.

5 Kommentare


  1. War auf jeden Fall eine gelungene Aktion! Und täglich ein Fail … Ich hoffe, soviel sind Dir noch nicht passiert …

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    1. Na, da hätte ich auf jeden Fall schonmal eine halbe Woche Fails zusammen: Immerhin haben wir seit dem 1. nichts mehr für den Karneval geschrieben…

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  2. Danke für diese sehr aufschlussreiche Beschreibung des Wieso, Weshalb und Warum. Ich gelobe auch Besserung, was provokante Aufrufe bei meinem nächsten Karneval angeht.

    Derweil lässt mich das Thema ähnlicher Themenmonate, wie schon in meiner Zusammenfassung und auch hier angesprochen, nicht los. Um es mal konkreter anzugehen: Bei einem Villain-a-Day würde ich vergleichbar zum RPG-a-Day als Hilfestellung für jeden Tag des Monats eine kleine Inspiration mitgeben, die offen genug für Setting, System und Umfang wäre, aber eben Denkanstöße geben kann. Denkbar wäre zum Beispiel:

    01 – Von 12 Gerichten zum Tode verurteilt.
    02 – Charmant bis zuletzt.
    03 – Immer wieder totgesagt, und nun doch wieder aufgetaucht.
    04 – Aus gutem Hause und tief gefallen.
    05 – Aufgestiegen mit allen Mitteln.
    06 – Noch am Anfang der Karriereleiter.
    07 – Berüchtigt für Brutalität.
    08 – Als Einbrecher von niemandem übertroffen.
    09 – Den Namen kennt jeder, das Gesicht niemand.
    usw.

    Ob das wohl in dieser Form Zuspruch fände?

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    1. Frag nicht mich, frag die Leute, die nicht auf die Artefaktaufforderung eingestiegen sind. Die musst du schließlich kriegen, wenn du mehr Resonanz sehen möchtest.

      Mich kannst du ja schon mit weniger provozieren.

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    2. Ich spiele mit ähnlichen Gedanken wie Du zu einer Idee: RPG-Content-a-day.

      So interessant ich Deinen Vorschlag Villain-a-day finde, so hat der Vorschlag ein paar Eigenheiten, die für eine rege Teilnahme nicht gerade förderlich sind.
      Einen Villain erstellt man nicht gerade mal so. Da muss man sich Gedanken machen. Er ist nicht nur ein NSC, sondern ein besonderer NSC d.h. der Villain braucht eine Beschreibung seines Äußeren, seiner Ziele, seiner Motivation, seiner Fertigkeiten, seiner Ressourcen, etc. Das ist mehr Arbeit als für ein Artefakt. Wenn man den Villain nicht als halbe Sache veröffentlichen möchte, bräuchte es eigentlich noch einen ausgefüllten (Nichtspieler-)Charakterbogen mit Werten. Die Zeit, die man in einen Villain steckt ist sehr wahrscheinlich mehr als die in ein Artefakt. Man wird so auch schwerer mehrere Villains an einem Tag schreiben können, so dass man auch mal einen Tag Pause machen kann. Die RPG-a-day Fragen sind deutlich einfacher zu beantworten. Da kann man gleich drauf los schreiben. 31 Villains sind wahrscheinlich mehr als der jeweilige SL in seinem zukünftigen Kampagnen braucht. Er erstellt also diese überzähligen Villains für Ablage P. Nach einer gewissen Zahl an Villains werden sich die Ideen der Villains wiederholen.

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