Aus manchen Ausgangssetzungen für Unkonwn Mobils Suit als Kampagne kombiniert mit der Bemühung um Plausibilisierung innerhalb dieser Setzungen und Kernelementen des Quellenmaterials ergeben sich immer wieder neue Erkenntnisse über das Setting.
Die Kernerkenntnis hier ist jetzt auch schon wieder ein gutes halbes Jahr her, aber ein kürzliches Gespräch über Gundam, Gunpla und UC-Viewing in Timelinereihenfolge, das ich im Umfeld des kritischen Fehlschlages führen konnte, hat mich jetzt dazu gebracht das noch einmal kurz als UMS-Artikel aufzuarbeiten.
Ein paar „Fakten“ zu Beginn:
- Die leichten Kreuzer der Musai-Klasse sind die ersten Kampfraumschiffe, die von vornherein als Träger für Mobile Suits konzipiert wurden.
- Sie gehören zu Beginn des One Year War zu den modernsten Schiffen Zeons und bilden das Rückgrat der zeonischen Raumflotte.
- Die Musai kann drei Mobile Suits (ein MS-Team) in ihrem Hangar transportieren und starten. (Wenn wir das MS-Igloo-Design der Musai zu Grunde legen, dann kommt in Maximalbeladung über die Wartungs-/Kühlschleuse noch ein vierter MS-Platz hinzu.)
- Weitere zwei MS können im Komusai-Shuttle des Kreuzers gelagert werden, können aber nicht ohne weiteres aus dem Shuttle abgesetzt werden.
- Die Musai kann eine HLV (Heavy Lift Vehicle) Landekapsel andocken und transportieren.
- HLVs sind atmosphäreneintrittsfähig und können mit Boostern auch von der Erde starten und in den nahen Orbit gelangen.
- Ein HLV kann sechs MS transportieren.
- Ein HLV kann seine MS auch im Weltraum ausschleusen. (Deutlich in Dance of the Orbital Ghosts zu sehen.)
Die erste und offensichtliche Schlußfolgerung (und das war für mich wirklich eine große neue Erkenntnis) daraus ist: Eine Musai kann eine ganze Kompanie MS (drei Teams, ein Team im Hangar, zwei Teams in einem HLV, und dazu noch zwei Reserve-MS im Shuttlefrachtraum) tragen. Nicht nur ein Team.
Das ist für sich genommen schon eine massive Änderung, die auch den Blick auf die Zahlen des One Year War verändern muss. Oder, in unserem Fall, die wir (siehe auch Unknown Mobile Suit – Zeonische Streitkräfte und Strategie im Wandel der Zeit) schon immer von eigenen (und höheren als den verbreitetsten) Zahlen ausgegangen sind, viele Plausibilitätsüberlegungen unterstützt und radikal vereinfacht.
Diese Sicht auf die MS-Trägerkapazität hilft auch dabei, Teile ihrere eigenen Grundlagen tragfähiger (Pardon) zu machen. Zuvor war die Frage ja durchaus berechtigt, warum denn überhaupt die Musai als der Vorzeige- und Haupt-MS-Träger Zeons gilt, wenn doch nachgerüstete alte Kreuzer wie die Chivvay mit um die acht Mobile Suits deutlich mehr Hangarplätze vorzuweisen haben. Wenn die Musai aber neun MS (plus zwei Reserve) trägt, dann fällt diese Frage in sich zusammen.
Eine Serie (scheinbarer) Folgefragen ergibt sich allerdings um die HLVs herum:
Zum einen könnten wir uns fragen, warum wir denn nie Musai mit HLVs im Raumkampf sehen (also in den Quellen)? Für UMS ist das einerseits nur am Rande relevant, da wir ja ohnehin selektiv mit den Quellen umgehen. Zum Teil lässt es sich auch darüber erklären, dass wir über weite Strecken vor allem Raumkämpfe nach dem Beginn der Erdinvasion sehen – zu einer Zeit also, wo wir davon ausgehen können und müssen, dass die HLVs für Raumkämpfe nicht mehr zur Verfügung stehen, da sie stattdessen für Landeoperationen und für Nachschublieferungen an die Schwerkraftfront eingesetzt wurden und werden.
Dies führt uns aber auch zur zweiten und in meinen Augen interessanteren Frage: Wofür waren die HLVs und die Fähigkeit der Musai, sie zu transportieren, überhaupt gedacht? Was können HLVs überhaupt? Sie einfach als Schwerlasttransportmittel zwischen Orbit und Erdoberfläche und zurück zu setzen, greift zu kurz, und kann (darf?) – unter der Setzung, dass die Erdinvasion improvisiert und nicht etwa von langer Hand geplant war – eigentlich gar nicht die alleinige Antwort sein. Satttdessen müssen wir und die HLV als einen Typ von Kurzstreckentransporter vorstellen, der auch für den lunaren Einsatz oder zwischen den Kolonien einer Side (jeweils ohne Notwendigkeit von Boostern) gedacht ist und bei dem die Fähigkeit auf der Erde zu landen und wieder zu starten nur eine weitere Ergänzung darstellt (was ich mir dann auch sehr gut als Teil eines verwickelten Beschaffungsprozesses samt Korruption und Grabenkämpfen und Privatprojekten einzelner einflußreicher Personen vorstellen kann), auch die Musai selbst, die ja anders als ältere Schiffe, die soviel Frachtraum gehabt haben müssen, dass die Umrüstung zum MS-Träger (siehe oben) sinnvoll möglich war, den Eindruck eines viel beengteren, viel mehr auf ihre Kernaufgabe zugeschnittenen Schiffstyps macht, wird so wieder zu einem Mehrzweckschiff, da das HLV ihr die „herausgekürzten“ (herausoptimierten) Fähigkeiten quasi zurückgibt.
Ein paar (unzusammenhängende) weiterführende Gedanken:
Die Musai wird zwar als leichter Kreuzer bezeichnet, als historisches Äquivalent fand ich aber schon immer die japanischen „Special Type“ Zerstörer (Fubuki-Klasse et al) naheliegender. Dementsprechend sehe ich als Kommandanten meist einen Korvettenkapitän, die MS-Kompanie unter einem Leutnant oder Oberleutnant.
Ein MS-Bataillon (drei Kompanien) braucht einen Verband von drei Musai als Träger und hat dann entweder sechs MS als Materialreserve (Standard) oder zwei zusätzliche MS-Teams (beispielsweise ein separates Team des Kommandeurs und eines mit einer Spezialaufgabe – beispielsweise Aufklärungs-MS), dann aber keine Reserve-MS.
Alternativ könnten auch zwei Musai begleitet von je zwei (also insgesamt vier) Gagaul ein Bataillon tragen (in dieser Konfiguration allerdings vermutlich keine Reserve, sondern ein zusätzliches Team).
(Zusammenstellungen mit Chivvays sind natürlich auch möglich.)
Vermutlich gehört es zur Kampfvorbereitung, dass das HLV abgedockt wird (was auch noch einmal eine antwort auf die obige Frage ist, warum wir nie angedockte HLVs im Kampf sehen). Es steht so als separater – durch Minovskytarnung geschützter – temporärer Stützpunkt für die MS zur Verfügung, und das Risiko eines vollständigen Verlustes von Träger und MS wird mitigiert (wird die Musai versenkt, besteht die Chance, dass das HLV überlebt und MS oder Piloten aufnehmen kann, und vice versa). Mit genug Vorlaufzeit kann so selbst ein einzelner Musai-Kreuzer auch aus mehreren Richtungen angreifen, ohne dass die MS selbst dafür wertvolle Reaktionsmasse verbrauchen müssten – das HLV wird abgesetzt, die Musai nimmt eine neue Position ein, und sowohl HLV als auch Musai schleusen ihre jeweiligen MS aus (das Komusai eröffnet sogar noch theoretisch eine zusätzliche Möglichkeit, steht dann aber natürlich auch nicht mehr als Rettungsshuttle für das Mutterschiff – eine seiner Funktionen – zur Verfügung).
Im „Dreiergespann“ aus Musai, HLV und MS-Kompanie liefert die Musai Reichweite (in doppelter Hinsicht – sowohl für die Bewegung innerhalb der Erdsphäre, als auch weitreichende Antischiffswaffen im Gefecht), die HLV Fracht-/Hangarraum, und die MS die Hauptschlagkraft.
Und noch eine abschließende Frage:
Wieviel Handel hat zwischen Side 3 und der Erde stattgefunden? Beziehungsweise unter Nutzung zeonischer Schiffe (Schiffe von zeonischen Werften)? Denn auch für ganz zivile Fracht sind HLVs natürlich geeignet. Und für irgendetwas müssen Frachter wie die Jotunheim ja auch benutzt worden sein.