Die Katze im Sack – Verschwörungsregeln für Beutelschneider

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Während blut_und_glas und ich vor kurzem die Archive von d6ideas gesichtet haben, ist mir aufgefallen, dass der Grundmechanismus von Beutelschneider sich wunderbar nutzen lässt, um abstrakte Konzepte während eines Abenteuers oder einer Kampagne zu verwalten. Damit eignet es sich auch ergänzend für andere Regelwerke.

Im Rahmen des Karnevals der Rollenspielblogs bittet Dnalor um Beiträge zu Verschwörungen, also den Sack aufgemacht und geschaut, welche Farbe die Katze denn nun hat…(grau natürlich)

Die folgende Um-Interpretation der Murmeln soll dazu dienen Verschwörungen, Intrigen und geheime Bünde im Spiel mechanisch zu integrieren. Aber auch jede andere Organisation, deren Mitglieder klar ein gemeinsames Ziel verfolgen, lassen sich als Beutel abbilden.
Ein Beutel voll Verschwörung ist nicht nur ein Verwaltungsinstrument und mechanischer Spiegel des Einflußes der Verschwörung, sondern er erlaubt es, sich spielerisch zu erschließen, wie einzelne Ereignisse die Gesamtheit (“the big picture”) beeinflussen.

Der Beutel einer Verschwörung enthält, wie Charaktere auch, 20 Murmeln, davon 5 weiße und 15, die beliebig verteilt werden können.

Rote Murmeln beschreiben die weltliche Macht der Organisation oder Verschwörung. Je nach Art der Verschwörung, kann sich das als politische, finanzielle, militärische Macht oder auch intellektuelle Deutungshoheit über ein Thema niederschlagen(z.B. bei religiösen Kulten).

Grüne Murmeln stellen dar inwieweit eine Verschwörung unbeobachtet und in den Schatten agieren kann. Je mehr Murmeln, desto schwieriger ist eine Verschwörung zu entdecken und auszurotten. Selbst wenn einzelne Verschwörer gestellt werden können, wird es einer Gruppe Helden schwer fallen eine Verschwörung glaubhaft aufzudecken, die viele grüne Murmeln hat.

Blaue Murmeln sind die Verknüpfung einer Verschwörung mit arkanen Kräften und göttlichen Prophezeiungen. Sie stellen deren übernatürliche Macht und Unterstützung dar.
Eine Verschwörung, die viele blaue Murmeln aufweist, sieht sich als Erfüllungsgehilfe einer Prophezeiung oder eines göttlichen oder dämonischen Plans und ist es tatsächlich auch. Eine Feenkönigin oder ein “Unvorstellbares Grauen von Jenseits der Zeit” könnten die Verschwörung unterstützen.

Weiße Murmeln stehen wie so oft für das Potential der Verschwörung oder Organisation.

Schwarze Murmeln sind weitere Schwächen einer Verschwörung und Angriffsflächen. Sie repräsentieren Ehemänner, die ihren Frauen fremdgehen und erpresst werden können, aber auch die Tatsache, dass der Oberste Priester besessen ist und der Geist den Körper nach und nach verzehrt. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht. Eine hohe Anzahl schwarzer Murmeln bedeutet, dass eine Verschwörung angreifbar ist und Gegner, viele verschiedene Hebel haben, der Verschwörer habhaft zu werden oder die Verschwörung zu zerschlagen. Interne Querelen und Machtkämpfe lassen sich ebenso als schwarze Murmeln abbilden.

Diese Interpretation kann natürlich auch in Verbindung mit den Logistik- und Versorgung-Regeln benutzt werden.

Barnabas und Antonius brechen in das Haus des Konsuls ein. Sie schleichen sich an den schlafenden Gänsen vorbei in das Arbeitszimmer besagten Konsuls. Dort durchsuchen sie alle Schubladen nach kompromittierendem Material und finden Briefe, die darauf hinweisen, der Konsul habe städtische Bauvorhaben in Richtung seines ehemaligen Mit-Legionärs Cornelius zugeschoben. Die beiden Diebe verschwinden wieder ungesehen und ungehört. Schnell landen entsprechende Kopien in den Händen des Senats und Empörung macht sich breit.

Der Verbreitung der Briefe ist eine Herausforderung für die Verschwörung des Konsuls.
Je nach Schwierigkeit der Herausforderung werden Murmeln gezogen. Die Verschwörung und deren Entscheidungsträger müssen eine Marschrichtung festlegen,

Konsul Markus bespricht sich mit Cornelius und sie beschließen die Senatoren an gewisse…Verpflichtungen zu erinnern. Es geht also darum den status quo zu erhalten und in aller Heimlichkeit, diese Neuigkeit zu unterdrücken.

Eine einzelne grüne Murmel sichert der Verschwörung den Erfolg und die Senatoren werden subtil erinnert, wessen Brot sie da eigentlich essen. Der Senat lässt die Angelegenheit unter den Tisch fallen. Ein Misserfolg führt dazu, dass mindestens eine grüne Murmel durch eine schwarze ersetzt werden muss.

Zusätzlich lassen sich die gezogenen Murmeln auch bei einem Misserfolg nutzen, um das weitere Vorgehen zu beschreiben: zwei rote Murmeln und eine blaue Murmel könnten bedeuten, die Priester der ewigen Flamme, ein militanter, theokratisch organisierter und mit Feuermagie gesegneter Arm der Verschwörung, werden losgeschickt, die Diebe dingfest zu machen und zum Schweigen zu bringen. Je nachdem wie Barnabas und Antonius damit umgehen, kann sich die Zusammenstellung des Beutels der Verschwörung wieder verändern.

Schauen wir uns einige Grenzfälle an, die hoffentlich helfen diese Idee mit Leben zu füllen.

Alle meine Murmeln haben die gleich Farbe und sie sind…

…rot.
Die Polizei, Armee oder eine Hanse haben überwiegend oder (fast) nur rote Murmeln in ihren Beuteln. Sie nehmen am öffentlichen Leben teil und ihre Macht ist säkular. Mittel ihrer Wahl reichen von Schlagstöcken über Schwerter zu Silber. Wenn geheime Verhöre, Einsätze ohne offizielle Kenntnisnahme der offiziellen Stellen oder Bestechungen dazu kommen, wären grüne Murmeln sicherlich hilfreich.

…grün.
Bettlerbanden, aber auch Barnabas und Antonius, desillusioniert von der Korruption und betrunken von den Pfründen selbiger können der erste Keim einer Organisation oder Verschwörung sein, die keinerlei Macht akkumuliert hat und – noch – unbeachtet von anderen Akteuren erste Blüten treibt.

…blau.
Kirchen, Kulte, Kabale sind über ihre blauen Murmeln definiert. Magierakademien oder Hexen-Zirkel, die sich jeden Neumond in den Verwunschenen Wäldern versammeln, beherrschen zwar mächtige Zaubersprüche oder gruselige Flüche, scheren sich jedoch nicht um politische Macht in all ihren Formen und sehen keine Notwendigkeit ihr Wesen zu verbergen.

Beispiele

Argentaria Indespecta – Die unsichtbare Bank
7 rote Murmeln, 3 grüne Murmeln, 5 blaue Murmeln, 2 weiße Murmeln, 3 schwarze Murmeln

In der dunkelsten Stunde, der sich die Stadt Rumpelheim je ausgesetzt sah, waren es ausgerechnet die Bankiers und Händler, die selbstlos in die Bresche sprangen. Verlorenen-geglaubte Rituale, begleitet von seit Jahrtausend ungehörten Gesängen wandten unaussprechliche Schrecken von der Stadt, doch der Preis war immens:
Die untoten und seelenlosen Hüllen (schwarze Murmeln) dieser heldenhaften Gestalten beraten und entscheiden seitdem als Argentaria Indespecta offen (grüne Murmeln) über die Geschicke Rumpelheims.
Ihr Einfluß ist vor allem politisch und finanziell (rote Murmeln), aber als Organisation, deren Tradition Jahrhunderte zurück reicht und auf den dunkelsten nekromantischen Schriften der Welten fußt, sträuben sie sich nicht, Geister, Zombies und andere Untote als Handlanger für ihre Machenschaften ins Feld zu führen (blaue Murmeln).

Le Ogre Invincible
4 rote Murmel, 9 grüne Murmeln, 2 blaue Murmeln, 5 weiße Murmeln

Die Anhänger des Unbesiegbaren Ogers treffen sich zumeist nächtens zu ausschweifenden Gelagen. Während einige der Reichen und Schönen, die sich der Geheimgesellschaft anschließen, in diesen Zusammenkünften zunächst nur eine weitere, vielleicht nicht direkt unschuldige, aber im Großen und Ganzen doch harmlose Zerstreuung sehen und sich bei ihnen Ungläubigkeit, Entsetzen oder auch nur ein wohliges Schauern breit macht, wenn ihnen erstmalig gewahr und bewusst wird, was es ist, was ihnen dort aufgetafelt und von ihnen selbst verschlungen wird, sind Gerüchte über die kannibalistischen Höhepunkte dieser Feste für manche anderen von vornherein der Grund, nach Aufnahme in den Unbesiegbaren Oger zu streben. Auch die Mitglieder dieser letzten Gruppe sind zumeist jedoch einfach nur auf der Suche nach neuen Reizen und folgen dem Lockruf des Verbotenen, in ihrer Dekadenz bloß abgestumpfter und zynischer als ihre unwissenderen und naiveren doch ebenso genusssüchtigen Gegenstücke. Bereit und willig, oftmals geradezu versessen darauf, selbst eine solche Ogrie auszurichten, und so noch einen weiteren Gipfel des Nervenkitzels zu erstürmen und dabei gleichzeitig ihren Reichtum, ihre Macht, Verdorbenheit und Kreativität zur Schau und die ihrer Mitverschwörer in den Schatten zu stellen, sind sie aber doch noch weit davon entfernt, die wahren Tiefen des Kults auszuloten. Dies bleibt den wenigen wirklich Eingeweihten, den Mystagogen und Fanatikern vorbehalten, die mehr als nur intellektuell sondern viszeral verstehen, dass es nicht darum geht, den Oger nachzuäffen, sondern der Oger zu werden, und die mit grimmiger Freude und Entschlossenheit, diejenigen schlachten und sich einverleiben, die meinen, mit ihren frivolen Inszenierungen das Heilige der Lächerlichkeit preisgeben zu können. Dass es die Natur des Ogers ist, dass auch über ihnen selbst stets das Schlachtermesser schwebt, ist den Obersten von ihnen, die Rang und Würde nur dadurch erlangten, dass sie ihre Vorgänger auffrassen, mehr als bewusst.
Das Treiben des Ogers verlangt nach Geheimhaltung (grüne Murmeln), sowohl nach außen, wogegen das gemeinschaftliche – ob nun absichtlich oder unabsichtlich begangene – Verbrechen seine Anhänger immunisiert, aber auch nach innen, wo die Selbstzerfleischung ihr mörderisches Tischtuch über das Geschehen breitet.
Der weltliche Einfluss (rote Murmeln) des Unbesiegbaren Ogers fußt auf Macht und Reichtum der meisten seiner Anhänger und auf der beiläufigen Brutalität, die sie an den Tag legen können. Wenn Handlanger oder gar ein ganzes Aufgebot benötigt werden, sind Einladungen zu den Festessen des Kultes oder eigens veranstaltete Armenspeisungen eine beliebte Methode, um sich solche Unterstützung zu erkaufen. Es ist nicht unerhört, dass hieraus sogar tatsächliche Anhänger des Ogers erwachsen, deren von einem Leben in Armut und Entbehrung entzündeter Hunger sie bis in die innersten Kreise des Kultes führt.
Der mystische Kern des Kultes (blaue Murmeln), die Ogerwerdung, wird nur von seinem innersten Kern verstanden und verfolgt.
Der Unbesiegbare Oger ist nicht satt (weiße Murmeln).

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8 Kommentare


  1. Das… ist… genial! So richtig genial!
    1) Du hast recht, das System ist so universal, dass es locker auch in andere Systeme eingebaut werden kann. Die Limitierung auf 20 Murmeln zwingt die Meisterin dazu, sich genau zu überlegen, sie die Geheimorganisation der Verschwörer aussehen muss.
    2) Die Extrembeispiele zeigen, dass dieses System grundsätzlich für alle Organisationen verwendet werden kann.

    Ich würde die Idee gern um die Münzen erweitern. Passt dann sowohl für Geheimorganisationen wie auch für offene Organisationen.

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  2. Danke für das Lob.

    Ich überlege diesen Mechanismus in der Planung für meine Princes of the Apocalypse (D&D 5e) Runde zu benutzen und zwischen den Sessions das Vorgehen und Verhalten der (gegnerischen) Fraktionen in der Kampagne damit nachzubilden bzw. ein paar coole Ideen zu generieren.

    Wie würdest du die Münzen denn am Besten einbinden wollen?

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    1. Nunja… Solche Organisationen wie eine Kirche dargestellt werden… die haben Gläubige, die Geld spenden, Kirchen bauen und ausstatten. Die Sollten zumindest zwei, drei Münzen im Beutel haben. Auch Organisationen, in denen viele Reiche sind, sollten eine Münze haben (wenn die Geizhälse in die geheime Schwarze Kasse spenden).
      Mit dem Gold könnten auch Heldinnen bestochen werden…

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  3. Hierzu passt zudem der Ansatz von 7te See, mit dem Schurken dargestellt werden. Dort haben Widersacher nur zwei Werte ( Stärke und Einfluss), und müssen diese als Wetteinsatz aufbringen, um an Macht zu gewinnen. Gelingt die entsprechende Intrige, erhält der Schurke den Einsatz als Gewinn und wird so stärker; durchkreuzen die Helden die Pläne, ist die Macht verloren.

    Auch in Beutelschneider könnte man so den Aufstieg und Fall von Organisationen verschiedener Größe abbilden, die dann nicht zwingend alle mit 20 Murmeln beginnen müssten.

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    1. Die 20 Murmeln habe ich lediglich gewählt, um die parallele zur Charaktererschaffung zu haben und an den drei Farben habe ich festgehalten, weil ich Triage mag. 🙂

      Bei weniger Murmeln würde ich persönlich aufpassen, weil die Wahrscheinlichkeiten sich natürlich verschieben.

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      1. Die Farbtriage ist essentiell für Beutelschneider und macht gerade den Charme dieser Verschwörerregeln aus.

        Was die Wahrscheinlichkeiten bei kleiner Murmelanzahl angeht: Wäre das wirklich so schlimm? Eine kleine Organisation setzt eben mit ihren geringen Ressourcen alles auf eine Karte, und ist dabei auch für ihre Feinde vorhersehbar.

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        1. Schlimm ist es keinesfalls! Du beschreibst ja gleich mit welche „Geschichte“ eine geringere Murmelzahl erzählen kann bzw. was man so alles beachten/bedenken kann. Spontan hätte ich aufstrebenden Organisationen/Verschwörungen mehr weiße oder schwarze Murmeln gegeben, aber einfach eine geringere Anzahl Murmeln zu nehmen, scheint mir auch interessant.

          Ich überlege ja immer noch, ob es sich lohnt diesen „Wettmechanismus“ aus 7te See irgendwie zu adaptieren…

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          1. Ein Wetten lässt sich ja auch als ein Zusammenziehen von den normalerweise separaten Griffen in den Beutel für Auseinandersetzung und Effekt (Schaden) begreifen. Wenn ich eine Auseinandersetzung verliere, die ansonsten in Schaden (oder einer anderen Beutelmanipulation – dann gegebenenfalls auch bei gewonnener Auseinandersetzung beziehungsweise erfolgreicher Herausforderung) münden würde, wird hierfür nicht noch einmal neu gezogen, sondern der Austausch/die Veränderung mit den Murmeln vollzogen, die ich sowieso schon in der Hand habe.

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