yandere hat in einem Editorial vor zwei Wochen ja schon einmal auf unser Dilemma hingewiesen: Mit dem Fokus auf „spielbares Material“ wird es schwierig sich an „Metathemen“ abzuarbeiten. Eigentlich ist kein großes Drama, außer wenn es darum geht bei den Umzügen im RSP-Karneval mitzulaufen…
Beim ersten Mal hatten wir Glück, dass unser regulärer Weihnachtsartikel zum Thema „Moral“ des Dezemberumzugs gepasst hat.
Beim Januarumzug mit dem Thema „Verkleiden, Lügen, Täuschen“ hatten haben wir dieses Glück nicht gehabt. Dafür aber eine Idee:
Es lässt sich ja viel darüber zu philosophieren ob es eine gute Idee ist oder nicht, sich am Spieltisch zu verkleiden („Ist doch auch nichts anderes als ein gutes Handout?“, „Wir sind hier doch nicht beim LARP!“). Aber diese Frage ist auch wieder meta – solange die ganze Verkleiderei nicht einem ganz konkreten Sinn und Zweck dient. Und das ist genau die Idee.
Es mag sein, dass wir „hier nicht beim LARP sind“, wie ich es dem Gegner des Verkleidens in den Mund gelegt habe, aber es geht ja auch nicht ums Schmalspur-LARPen am Küchentisch (selber spiele ich ja lieber im Wohnzimmer, aber gut). „Ein gutes Handout“ dient zwar der Immersion (was auch immer das nun wieder ist), aber es hat eine Funktion darüber hinaus. Es liefert Informationen, stellt Rätsel, oder dient als Schlüssel.
In einer simplen, eigentlich sehr nahe am „gewöhnlichen“ (gegenständlichen) Handout liegenden Form lassen sich „Spieltisch-Verkleidungen“ auf einzelne „Erkennungsmerkmale“ reduzieren: Ein einzelnes markantes Kleidungsstück (oder Accessoire), das der Spieler oder Spielleiter als eine Art „Platzhalter“ benutzt. Vielleicht klemmt sich der Spielleiter immer ein Monokel ins Auge, wenn er den Geheimen Rat darstellt, der den Charakteren das Leben schwermacht. Oder der Spieler des Magiers hat sich ein leeres Buch mit hübschem Einband besorgt, das er immer neben seinen Charakterbogen legt (oder er legt den Bogen direkt hinein).
An dieser Stelle setzt die Idee nun an.
Als Erstes setzen wir voraus, dass alle „wichtigen“ Charaktere mit einem solchen Platzhalter/Erkennungsmerkmal ausgestattet werden müssen. Für die Spieler ein geringeres Problem, als für den Spielleiter, der sich wohl besser eine Requisitenkiste zulegt.
Als Zweites verlangen wir (vor allem vom Spielleiter, der es ja noch nicht schwer genug hat), dass diese Dinger auch durchgängig benutzt werden. Sie müssen im Einsatz sein, um den Charakter zu spielen und wenn sie im Einsatz sind (getragen, gehalten, hingelegt werden), dann wird der Charakter gespielt.
Wenn der Spielleiter als Requisite für den kaiserlichen Konsul in Kairo also einen Fez (aus dem letzten Urlaub) verwendet, dann wissen die Spieler, wenn er den Fez aufhat, stellt er gerade den Konsul dar (und wenn er den Fez nicht auf hat, dann nicht).
Als Drittes streichen wir alle normalen Fertigkeiten und Regeln fürs Verkleiden. (Womit dann wohl auch klar wäre was als nächstes passiert…)
Als Viertes setzen wir fest (wovon diesmal zur großen Genugtuung des Spielleiters wohl vor allem die Spieler betroffen sein werden), dass zum erfolgreichen Verkleiden in einen bekannten Charakter einfach dessen Erkennungsmerkmal verwendet werden muss.
Wenn der britische Spion sich also als der Konsul ausgeben möchte, dann muss sein Spieler den Fez aufsetzen.
Bis hierher noch ganz einfach. Aber: Der Besitzer der Originalrequisite ist nicht dazu verpflichtet irgendwem das Ding auszuhändigen.
Das lässt nun im Großen und Ganzen vier Möglichkeiten zu:
Entweder es braucht einen neuen Plan, der ohne Verkleiden auskommt. Zum Beispiel ins Konsulat einbrechen oder den Konsul entführen – sowas machen Spieler ja sowieso immer gern.
Oder es wird eine Imitation der Requisite besorgt, so beispielsweise dieser preisgünstige Faschingsfez aus rotem Karton:
Da dies ein recht solides Imitat des Originals ist, zählt auch die Verkleidung des Charakters als besonders hochwertig. Es besteht keine Gefahr entdeckt zu werden, solange keine anderen Fehler (beispielsweise völlig atypisches Verhalten) gemacht werden. Der Nachteil ist natürlich, dass es hier echter Vorbereitung durch den Spieler braucht – immerhin muss er erst einmal zum Kostümhandel um den Fez in realitas zu kaufen. Er muss den Plan zum Verkleiden also zumindest eine ganze Spielsitzung im Voraus gefasst haben.
Diesen Nachteil kann er umgehen, indem er ein Imitat improvisiert. Aus einem roten Lumpen, einer Troddel und einer großen Büroklamm lässt sich beispielsweise ein recht unansehnlicher „Fez“ konstruieren:
(Zurück im Dezember und beim Thema Moral am Spieltisch sind wir, wenn wir noch die letzte Möglichkeit in Betracht ziehen: Den Spielleiter der Originalrequisite berauben, während er gerade nebenan ist. Das zählt dann alleine schon ob der Unverfrorenheit als wirklich lebensecht…)