Misery Loves Company

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Leider zweifle ich ein wenig daran diesen Monat noch einen wirklich sinnvollen Beitrag zum Karneval der Rollenspielblogs zustande zu bringen. Wobei mit „sinnvoll“ natürlich spielrelevant gemeint ist. Und mit „spielrelevant“ hier natürlich Bausteine. Stattdessen sitze ich mit einem Assoziationsnetz von primär um das Spiel herum gelagerten Ansätzen da, ausgehend von weiteren Einträgen aus Blechpirats einleitender Stichpunktsammlung zum Thema „Romantik & Liebe“ und sich dann verkettend mit immer mehr und größeren Themenkomplexen.

Solche Kapriolen schlägt das Thema aber scheinbar allgemein: Nicht originär von Blechpirat in die Karnevalswelt gesetzt, wohl aber von ihm und anderen aufgegriffen, hat sich „Misery Porn“ scheinbar zu so etwas wie dem inoffiziellen Titel des Karnevalsthemas gemausert.

Für mich verbindet sich das allerdings doch wieder mit einem seiner Ausgangspunkte (und seinen übrigen Assoziationen):

„Was ich mir nicht wünsche: Chainmail-Bikini: Der Charismabonus auf die Rüstungsklasse“

Mit meiner ruiniert-aggressiven Karnevalslaune diesen Monat lese ich das auch wieder negativ.

In diesem Wunsch steckt nämlich die Beförderung des Misery Porn.

Von der toten Freundin im Kühlschrank zur entführten Tochter (womit wir auch Blechpirats Lethal Weapon abgehakt hätten) wird „Liebe“ im Rollenspiel schnell entweder direkt ein negativer Hebel, der „Tiefe“ in Form von Verlust oder „Motivation“ in Form von Verlustängsten ansprechen soll, mit anderen negativen Elementen verschränkt, ob nun die bezeichnende Kombination von Sexualität und Horror in Monsterhearts oder eines der großen toten Pferde des deutschen Rollenspielinternets – das Kreischen der Weiber, oder bestenfalls ambivalent dargestellt, wenn zum Beispiel um Ideen von Liebe & Romantik herum aufgebaute Aspekte eben auch gereizt werden können oder Beziehungen mechanisch in einer Kombination aus Boni und Mali ausgedrückt werden.

Warum nicht einfach einmal direkt und nur positiv? Und zwar mindestens so offensiv, wie die negativ-ambivalenten Beispiele? Mechanisch positiv? Warum stehen meine Kinder nicht auf der Vorteilsliste des Charakters? Und warum darf ich mir also zum Beispiel als Ausdruck von… Body- oder Sexpositiveness nicht meinen Charismabonus auf die Rüstungsklasse anrechnen? So ganz ohne Nachteil und Risiko. Ohne negative Konotationen. Sondern in der vielleicht positivsten Form, die das mechanistische Rollenspielweltbild kennt: Als (Kampf-)Bonus.

2 Kommentare


  1. Nah, ich habe den Begriff Misery Porn nicht aufgegriffen, sondern lediglich abgelehnt. Ich kann dir vermutlich nicht aus deiner negativen Stimmung heraushelfen, aber „Charismabonus auf Chainmail-Bikini“ hat (für mich) nichts mit Romantik und Liebe zu tun. Sondern mit Aussehen, Charisma, Sex. Mit diesem Negativbeispiel wollte ich deutlich machen, dass ICH auf die Gefühlsebene will und nicht auf die körperlichen Aktivitäten (liebe machen). Und Romantik und Liebe sind (außer für Norbert vielleicht) sehr sehr positive Gefühle. Die positivsten, die man so haben kann.

    Aber: Der Karnveal ist nur ein Oberthema. Du löscht jetzt nicht versehentlich das gesamte Internet, wenn du dazu etwas schreibst, was der Organsisator sich so nicht vorgestellt hat. Und im konkreten Fall: Ich erlaube es dir nochmal ganz ausdrücklich und lade dich dazu ein, ohne jede Vorgabe zum Karneval zu schreiben.

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  2. Ich persönlich bin sehr interessiert daran, dass Misery Porn im Rollenspielbereich gefördert wird, weil da viele starke Rollenspiele, Ideen und Designer dahinterstehen. Ich hätte mir natürlich gewünscht, dass die Karnevalsblogger einen weniger beschissenen Titel dafür gefunden hätten, aber es hat wohl nicht sein sollen. Dann eben doch Misery Porn, bevor gar nicht darüber geredet wird.

    Ansonsten finde ich deine Kritik, zu wenige Rollenspiele böten das, was Greg Stolze in einem der letzten Kapitel von Reign als „genuine and uncomplicated love“ bezeichnet, überzogen. Ja, in vielen Rollenspielen sind (romantische) Beziehungen mechanisch als Ressourcensystem verankert. Seien es die eher geschäftsmäßig wirkenden Connections aus SR, die gepflegt werden wollen, die Relationship Spends in Bubblegumshoe oder die Bonds in Delta Green, die fast schon geopfert werden müssen. In einem positiveren Licht erscheinen bspw. die Relationship Assets aus Becoming (Boy Meets Girl), die Relationships aus Sagas of the Icelanders oder der Fellowship Focus aus The One Ring, der mechanisch keine erschöpfliche Ressource ist, aber hin und wieder trotzdem angegriffen und verletzt werden kann – mit emotionalen Folgen für den z.B. anverwandten SC. Fest und unveränderlich ist also auch hier nichts.

    Andere Rollenspiele, die noch weiter in der dramatischen Ecke sitzen, legen ihren Fokus wiederum darauf, wie Zuneigung und Liebe entstehen und dass es dabei bisweilen auch Widerstände geben kann. Für Kagematsu, Alienor oder Breaking the Ice ist das zentral. Ganz deutlich – wenngleich nicht auf Liebe beschränkt – findet man dieses Prinzip auch in Hillfolk, das sogar ausschließlich Beziehungen als interessant erklärt, in denen der einen Seite von der anderen etwas verwehrt wird, woraus selbstredend Konflikte entstehen.

    Und dann habe ich noch ein eigenwilliges, aber interessantes Beispiel: Best Friends von Gregor Hutton ist ein Spiel über Beste Freundinnen, das zunächst mal damit anfängt, wofür die Frauen sich untereinander (so ein bisschen) hassen. Trotzdem ist das Spiel darauf angelegt, zu zeigen, wie stark diese Freundschaft ist und hat in der Praxis auch genau das gemacht.

    Mein Einwand gegen deine Kritik ähnelt also, um wieder auf Reign zurückzukommen, dem Argument Stolzes. Eine rein positive, ungefährdete, unveränderliche Liebe ist kein gutes Futter für eine spannende Geschichte. Wie viel ist denn in einem Rollenspiel wirklich „ohne Nachteil und Risiko“? Ein mächtiges Zauberschwert wird gestohlen. Ein alter Vertrauter zum Verrat gezwungen. Eine gute Eigenschaft bringt die Heldin in Schwierigkeiten. Et cetera. Und gerade zwischenmenschliche Beziehungen bieten sich doch an für Ambivalenz, weil man es eben mit denkenden und fühlenden Wesen zu tun hat. Dementsprechend – das zeigen ja auch meine Beispiele oben – wird man es immer irgendwo mit ambivalenten Darstellungen zu tun haben. Die aber decken ein extrem weites Feld ab von Delta Green bis Bubblegumshoe, von Hillfolk bis Alienor.

    Überhaupt nicht mehr nachvollziehen kann ich die Vorstellung – das steckt ja letztlich (neben einer offenen Abneigung gegen bestimmte Rollenspiele) hinter „Misery Porn“ -, dass Exploitation, was Romantik&Liebe in Rollenspielen angeht, nicht die Ausnahme sei, sondern die Regel. Hin- und wieder wird man überbeanspruchten Klischees wie der entführten oder gar ermordeten Geliebten begegnen, was nun aber mit nichts mit „Misery Porn“ und alles mit schlechten Geschichten zu tun hat, wenn es nicht ohnehin bewusst ironisch benutzt wird.

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