Unknown Mobile Suit – Kriegsbriefe und Erfahrungspunkte

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Einleitend haben wir viel davon gesprochen, wie wichtig und zentral für uns der Antikriegsaspekt ist, in den letzten Artikeln haben wir uns dann allerdings fast ausschließlich dem Kriegs(spiel)aspekt gewidmet.

And now for something completely different…

Zu Beginn einer Spielsitzung hat jeder Spieler die Möglichkeit einen oder mehrere Briefe, Tagebucheinträge oder dergleichen vorzulegen. Für jeden solchen Beitrag erhält sein Charakter wahlweise eine Vorahnung oder eine Möglichkeit zur Steigerung von Attributen und Fertigkeiten.
Die eigentliche Vergabe von Erfahrungspunkten und die Kosten und Beschränkungen zur Steigerung von Attributen und Fertigkeiten folgen dabei den Regeln von Unknown Armies.

Briefe, die ein Charakter von Nicht-Spielercharakteren erhält, generieren einen Wiederholungswurf oder Würfeltausch (äquivalent zu Impulsen), der entweder vom Spieler oder von der Spielleitung gegen den Spieler eingesetzt werden kann. Die Einsatzmöglichkeit ist dabei auf solche Würfe beschränkt, die in einem Zusammenhang mit dem Absender des Briefes oder dem Inhalt des Briefes stehen.

Ludwig Portwell, unser Beispielcharakter aus der Vorstellung der Pilotenregeln, hat im Laufe seiner bisherigen Kriegserlebnisse insgesamt 28 Erfahrungspunkte gesammelt, hatte bisher aber noch keine Gelegenheit sie auch auszugeben.
Bei Beginn der nächsten Spielsitzung bringt sein Spieler einen Tagebucheintrag und einen Brief an Ludwigs Verlobte ein und entscheidet sich dafür, beide als Steigerungsmöglichkeiten zu nutzen.
Zunächst verwendet er also den Tagebucheintrag, um für 2 Punkte seine Schnelligkeit auf 56 zu steigern und für jeweils 3 Punkte Ausweichen (auf 18%), Initiative (31%) und Wahrnehmung (28%) zu erhöhen, damit hat er 11 Punkte ausgegeben und ihm bleiben noch 17 Erfahrungspunkte.
Danach steigert er durch den Brief ein weiteres Mal. Er erhöht noch einmal seine Schnelligkeit (57) und investiert dann 2 Punkte in seine Obsessionsfertigkeit Infanteriewaffen (neuer Wert 57%), sowie nochmals 3 Punkte in Ausweichen (21%) und Wahrnehmung (31%).

Normalerweise bin ich ja alles andere als ein Freund von verordneten Schreiborgien wie ausführlichen Hintergrundgeschichten oder eben Charaktertagebüchern und Briefen – nicht als Selbstzweck und erst recht nicht mit angeschloßener Belohnungsfunktion in Form von zusätzlichen Erfahrungspunkten.
Tatsächlich sind Kriegsbriefe (und Tagebücher) aber wohl ein Element, das wie kaum ein anderes Kriegserleben und -schrecken zu vermitteln vermag, in Form echter Briefe aber auch in der Fiktion ob nun Buch (zum Beispiel die Pfannkuchen in der Feldpost bei Im Westen nichts Neues), Film (beispielsweise die Briefe des Leutnants in Stalingrad) oder eben Rollenspiel. Nicht umsonst widmet beispielsweise auch der deutsche Cthulhu-Band „Niemandsland“ zum ersten Weltkrieg – den ich hier darüberhinaus gar nicht bewerten möchte – ein eigenes Kapitel den Briefen der Soldaten und verwendet solche dann auch in den präsentierten Abenteuern.

Die Frage, die wir uns für Unknown Mobile Suit konkret gestellt haben, war also, wie wir Briefe und Tagebücher, die wir als wichtigen Teil zur inhaltlichen und stilistischen Unterstützung unserer Antikriegsthematik haben wollten, auch mit den Regeln verzahnen und mechanische Motivation sie zu schreiben bieten konnten, ohne dabei aber den Weg der Bonus-Erfahrungspunkte zu beschreiten.
Unsere oben geschilderte Lösung, statt den Erhalt von Erfahrungspunkten die Verwendung von Erfahrungspunkten an die Briefe zu koppeln, hatte für uns den Vorzug, einerseits den mit den Briefen verbundenen Vorteil sehr hoch anzusetzen, gleichzeitig aber zu verhindern, dass „Vielschreiber“ einen nicht mehr einholbaren Vorsprung gegenüber anderen Spielern erringen – denn schließlich kann (bei breiter Streuung der Punkte) mit nur einem einzigen Brief selbst der größte Vorsprung an ausgegebenen Punkten wieder eingeholt werden.
Zudem findet bei diesem Ansatz auch die Idee, vom Brief (oder Tagebuch) als der Möglichkeit sich mit dem Geschehenen auseinanderzusetzen und erst durch diese Reflektion daraus wirklich lernen zu können, ihre mechanische Entsprechung.
Dementsprechend zufrieden sind wir mit unserem Ergebnis und gehen ausnahmsweise einmal davon aus, hier wirklich eine stabile Regelung zu haben.


Next time on Unknown Mobile Suit:

War da nicht noch etwas in unserem Anforderungskatalog? Lifepath-Charaktererschaffung? Darüber haben wir noch gar nichts geschrieben…

3 Kommentare


  1. Finde diese Idee einfach grandios, sehr passend und stimmungsvoll. Respekt. Das letzte Mal, das ich sowas vergleichbares gesehen habe, war bei einer unserer „Space1889“-Runden, wo wir die Idee von Tagebüchern aus „Castle Falkenstein“ übernommen haben und alle Mitspieler ein Tagebuch geführt haben.
    Andererseits finde ich es aber seltsam anachronistisch, dass in einer High-Tech-Welt wie Gundam Briefe geschrieben werden…
    Aber vielleicht kenne ich auch die Serie zu wenig…

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    1. Tatsächlich hab ich nie drüber nachgedacht, aber Gundam ist tatsächlich ein wenig anachronistisch. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Metaserie 1979 begonnen hat und zwar auch die Universal Century Timeline, die wir ja auch bespielen.
      Shadowrun hat ja die wireless Matrix eingeführt, aber UC Gundam hat meines Wissens nach nie solche Korrekturen vorgenommen.
      Witzigerweise ist Briefe schreiben nix, was ich in dem Setting als groß anachronistisch ansehen würde. Das liegt daran das man halt räumlich und ohne Kabel zwischen einem auseinander lebt. Daher ist es in vielen Belangen, wenn man eine private Mitteilung versenden möchte, wirklich einfacher einen Brief zu schreiben und den dann mit einem Raumschriff zu transportieren, als zu versuchen einen gerichteten verschlüsselten Kanal mit vielleicht kriegswichtigen Information einzurichten, nur um mal ‚Hallo‘ zu sagen.

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      1. Einleuchtend. Das ist dann so wie die „Postkutschen“-Schiffe bei Traveller.
        Und wie schon geschrieben, sehr atmosphärisch, so ein Brief.

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