Ungewöhnlich komplex!

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Rollenspiele sind zumindest auf einem statistischen Niveau ausgesprochen simple Spiele. Jedes Mal wenn die Würfel fallen, gilt nur die Frage, ob es sich um einen Erfolg oder eben Misserfolg handelt. Das entspricht einer Bernoulli-Verteilung B(1,p) mit Wahrscheinlichkeit p und das ganze Rollenspiel-System ist nur dafür da, eben auf mehr oder minder komplizierte Art und Weise diese Zahl p zu ermitteln. Wie Name des Artikel vermuten lässt will ich meinen Augenmerk auf möglichst komplexe Systeme legen.

Komplex: Das soll vor allem bedeuten, dass das System oder eher die Mathematik, die dem System zu Grunde liegt, eben nicht einfach von jedem sofort durchdrungen werden kann, sondern dass ein gewisser Grad an Fachwissen oder System-Meisterschaft vorhanden sein muss, um abschätzen zu können, wie wahrscheinlich bzw. schwierig irgendetwas in diesem System tatsächlich ist.

Die einfachste Form von System wäre das Prozent-System. Der Fähigkeitswert des Charakters ist auch gleich die Wahrscheinlichkeit in Prozent die Aufgabe zu erfüllen. Schwieriger ist dann schon jede andere Form von Würfel. Bei einem W20 muss man immerhin schon wissen, dass jeder Punkt auf dem W20 eben 5 Prozentpunkten entspricht.

Die mit Abstand komplexesten Systeme – würde ich zumindest so einschätzen – sind Würfelpool-Systeme wie Shadowrun oder die World of Darkness sie kennen oder auch mathematisch ganz abgedrehte Systeme wie zum Beispiel DSA.

Ich möchte mich aber, um wieder an das KarnevalsthemaUngewöhnliche Gegner‚ anzuknüpfen, auf L5R stürzen.

Dort gibt es das sogenannte ‚roll and keep‘ (deutsch: würfeln und behalten) System. Es ist ein Würfelpool-System mit einem Twist. Man würfelt beispielsweise 4 Würfel (Das wären W10 bei L5R) darf aber nur 2 der Würfel behalten. Die Summe der behaltenen Würfel ist dann das Wurf-Ergebnis. Aber halt es gibt noch etwas… Zeigt einer der Würfel eine 10 bzw. 0 darf man diesen Würfel ‚hochwürfeln‘, d.h. man würfelt ein weiteres Mal und zählt das Würfel Ergebnis zur 10 hinzu. Ein Würfel darf außerdem 1. beliebig häufig hochgewürfelt werden und 2. zählen diese hochgewürfelten Würfel nur als ein Würfel, wenn es um das Behalten der Würfeln geht.

Der Fähigkeitswert hat nun zum Beispiel folgende Form: 3k2+5. Das heißt würfle 3 Würfel, behalte 2 davon und addiere zum Schluss noch mal 5, um auf das endgültige Wurf-Ergebnis zu gelangen. Es ist gar nicht so schwierig, wenn man es einmal verstanden hat und ist auch ein cooler Würfel-Mechanismus, aber abzuschätzen wie schwierig irgendwas in dem System ist, kann beliebig kompliziert werden.

Die dritte Edition hat Schwierigkeit 40 als unmöglich angegeben. Das ist ein Wert, den ein frisch gebauter Charakter in seinem Spezialgebiet zuverlässig erreichen kann. Das heißt, wenn ich als Spielleiter mich stumpf an die Vorgaben des Regelwerks halte (und warum sollte ich das nicht tun? Immerhin ist es schwierig abzuschätzen, wie schwer etwas in diesem System ist!), stelle ich fest, dass meine frisch gebackenen Helden schon Unmögliches leisten!

Wie sollen mit solchen Voraussetzungen überhaupt noch ungewöhnliche Gegner aussehen? Selbst blut_und_glas‘ Vorschlag, ungewöhnlich leichte Gegner zu bauen, hilft hier nix, denn in den Gebieten, die ein Charakter nicht gut beherrscht, kann er durchaus ein völliger Stümper sein. Wie ich es drehe und wende, die Komplexität des Systems macht es ungewöhnlich schwierig, ungewöhnliche Gegner zu erschaffen. Das ist keine Kritik an komplexen Systemen selber, denn ich spiele L5R sehr gerne. Es ist mehr eine Kritik an Game Designern, die ihr eigenes System nicht richtig beherrschen.

Komplexe Systeme sind schwierig zu meistern und somit ist der ungewöhnliche Gegner des heutigen Artikels eben das Spiel-System selber, das von Game Designern, Spielleitern und Spielern zugleich überwunden werden muss, damit es einem angenehmen Rollenspielerlebnis eben nicht in die Quere kommt.

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