Nachdem ich kürzlich eine alte HERO-Cyberpunk-Kampagne wiederaufnehmen dürfte, die nach einem scheinbaren Rollenspielburnout des Spielleiters eine mehr als ein Jahr dauernde Pause eingelegt hatte, fühle ich mich an eine Diskussion erinnert, die ich vor geraumer Zeit mit einem anderen Rollenspieler geführt habe:
Wir debattierten damals über die beste Länge für Kampagnen.
Er stellte seine Beobachtung vor, dass viele Kampagnen nach drei bis zehn Sitzungen zu einem Ende kamen, und zwar einfach deshalb, weil Spieler ausstiegen, die Terminplanung entgleiste, die ganze Gruppe einfach Lust auf etwas anderes bekam, oder aus ähnlichen „Verwaltungsgründen“ mehr.
Dieser Beobachtung konnte ich mich durchaus anschließen, und wir stimmten auch darin überein, dass es von dieser sehr groben Regel für die „natürliche“ Dauer von Kampagnen auch Ausnahmen gab.
Uneinig waren wir uns in Bezug auf die Schlussfolgerungen, die aus dieser Beobachtung gezogen werden sollten.
Seiner Meinung nach sollte diese „natürliche“ Kampagnendauer bereits bei der Kampagnenplanung berücksichtigt werden. Mit anderen Worten, Kampagnen sollten am besten von vornherein so ausgelegt werden, dass sie in allerhöchstens zehn Sitzungen (besser der Hälfte) vollständig durchzuspielen wären. Auf diese Weise würde der vorzeitige Abbruch der Kampagne – ohne dass diese zu einem soliden Abschluss gekommen wäre – verhindert. Während seiner Argumentation nach eine auf eine längere Laufzeit ausgelegte (oder gleich ohne Begrenzung angelegte) Kampagne immer in hohem Maße davon bedroht wäre, durch ein solches unschönes Ende ruiniert zu werden.
Dem konnte ich mich nun so gar nicht anschließen. Nicht weil ich seine Vorstellung von der natürlichen Kampagnendauer abgelehnt hätte, sondern weil ich in ihr kein definitives, permanentes Ende erkennen konnte. Meiner Meinung nach war die natürliche Kampagnendauer eher Ausdruck eines zyklischen Phänomens. Eine Kampagne konnte jederzeit wiederbelebt werden und – ganz wie der Große Cthulhu – wieder aus den Tiefen emporsteigen, wenn die Sterne nur richtig stünden. Diese Überzeugung wiederum würde auch den „Schock“ und die Enttäuschung über den vorzeitigen Abbruch dämpfen – denn das wäre ja gar kein echtes Ende. Dementsprechend gab es in meinen Augen auch keinen Grund sich bei der Kampagnenplanung zu beschränken. Das einzige notwendige Eingeständnis war es zu sehen und zu akzeptieren, dass längere Kampagnen vermutlich nicht in einer ununterbrochenen Kette von Sitzungen zu realisieren sein würden.
Angesichts der oben erwähnten Cyberpunkrunde sollte es wohl nicht weiter Wunder nehmen, dass ich mich mit meiner damals geäußerten Ansicht immer noch auf der richtigen Seite wähne. Und wenn ich auf die „vorzeitig abgebrochenen“ Kampagnen meiner Rollenspielkarriere zurückblicke, dann ist die empfunden Nostalgie nicht etwa mit einem Gefühl von Bedauern, sondern stattdessen mit einer leisen und angenehmen Vorfreude verbunden.