Die Geister Aragons

ghosts-of-aragonDie Verschmelzung von Science Fiction, Fantasy-Elementen und real-existierendem Sozialismus waren der Hauptgrund, warum ich mich ursprünglich für das Red Star-Setting begeistern konnte. Vor allem im Hinblick auf historische Ereignisse ist diese Kombination nicht nur unglaublich praktikabel, sondern ermöglicht es auch eine grenzenlose Anzahl von unterschiedlichen Kampagnen zu spielen, von Revolutionären, die Imbohl folgen, über einfache Infanteristen im Großen Vaterländischen Krieg, Militärberatern im Jadekönigreich, bis zu abgehalfterten roten Ex-Militärs, die nun ein kriminelles Imperium in der WTA aufbauen.
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»Die Geister Aragons« ist mein Versuch, das epochale Setting mit einem meiner historischen Fetische zu verbinden: Dem Spanischen Bürgerkrieg. Was anfangs als recht einfache Settingbeschreibung mit einigen kleinen On-the-Fly-Konvertierungen gedacht war, hat sich als ein Moloch an Notwendigkeiten und Regelanpassungen entpuppt, vor allem da sich die aragonesischen Contranationalisten in mehr als nur der Ideologie von ihren roten Geschwistern unterscheiden. Es folgt der Versuch, das alles unter eine Kappe zu bekommen und es Spielern nicht nur zu ermöglichen zur Zeit des Bürgerkriegs, sondern auch im modernen, von Anschlägen zerrüttenden Aragon zu spielen.

Geschichtlicher Abriss

»Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen«

Obwohl die UdRRS tausende von Meilen entfernt sein mag, teilen die Menschen von Aragon einige historische Begebenheiten mit den Roten. Die aragonesische Halbinsel war einst eine Ansammlung von kleinen Königreichen, die in wechselnden Bündnissen miteinander Krieg führten. Dies sollte sich schlagartig ändern als vom südlichen Kontinent die Almud einfielen, große Teile der Halbinsel eroberten und neben Zivilisation, Wissenschaft und Medizin auch den Glauben an den Einen Wahren Gott mit sich brachten.

Konfrontiert mit Herrschern, die vom Großteil der Bevölkerung als Teufelsanbeter, die die einzig wahre Religion des Auferstandenen Sohnes ablehnten und sich in dunklen Künsten wie Alchemie, Anatomie und der friedlichen Koexistenz der Religionen übten, führten sie einen blutigen Guerillakrieg, bis die Almuds vertrieben waren und die gesamte Halbinsel in ein Dunkles Zeitalter zurückfiel, in dem Vernunft und Mitgefühl in einer blutigen Woge aus religiösem Fanatismus untergingen und die aragonesische Inquisition rücksichtlos Dissidenten und Ausländer in blutrünstigster Art und Weise umbrachte. Es war Aragon, das die neue Welt entdeckte und »zivilisierte«, aus der später die WTA hervorgehen sollte, und es war Aragon, das rücksichtslose Territorialkriege gegen seine Rivalen, Gallier und Löwen, führte.

Als sich die Roten in der großen Revolution erhoben, war Aragon bereits kaum mehr als ein Schatten seiner einstigen Macht, in zahllosen Aufständen und militärischen Niederlagen von seinen Wohlstand bringenden Kolonien beraubt, fristete der Großteil der Bevölkerung ein Dasein am Rande des Überlebens und die alleinige Macht lag in den Händen von Adel, Priestern und Landbesitzern. Jede Entwicklung aus anderen Kulturen wurde nur dann zugelassen, wenn sie auf irgendeine Art und Weise ökonomisch verwertbar war.

Als sich das Bürgertum in einer recht unblutigen Revolution gegen seine Herrscher erhob und die erste Republik ausrief, gab es Versprechen, dass sich auch die Situation der besitzlosen Klasse drastisch verändern würde, aber schnell wurde klar, dass dies nur ein Mittel war, um die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich zu versammeln. Obwohl die Freiheiten des Individuums drastisch erweitert wurden, hielten Land- und Fabrikbesitzer mit Rückhalt der Kirche die proletarischen Massen in einem klaren Abhängigkeitsverhältnis, das identisch mit den Feudalstrukturen der prä-republikanischen Zeit war.

Angespornt von der roten Revolution organisierten sich immer weitere Teile der Bevölkerung, um solidarisch der Ausbeutung entgegenzutreten. Sie entwickelten eine eigene Art des Internationalismus – Contranationalismus. Konfrontiert mit Polizei und Paramilitärs, die im Sold der besitzenden Klasse standen und rücksichtlos jegliche Form von Streiks und Demonstrationen entweder zusammenschossen oder einknasteten, sahen sich die Contranationalisten gezwungen ihre eigenen Waffen zu entwickeln. Contranationalismus brach mit dem größten Dogma in der aragonesischen Gesellschaft – Magie ist die Domäne des Widersachers des Auferstandenen Sohnes. Ähnlich wie bei den Roten wurde Zauberei von ihren anachronistischen und mystischen Komponenten gesäubert und in ein politisch-wissenschaftliches Paradigma implementiert, in dem Magie als ein weiteres Werkzeug wie Schraubenschlüssel, Sichel und Gewehr betrachtet wurde.

Spirituelle Dialektik

Das Bewusstsein bestimmt das Sein.

Ähnlich wie militärisch-industrielle Zauberei nutzt die Spirituelle Dialektik Protokolle, die allerdings eher die subversive Notwendigkeit contranationalistischer Aktionen wiederspiegeln und auf die epische Größe des Internationalismus verzichten.

Spirituelle Dialektiker nutzen die gleichen Regelmechanismen wie Zauberinnen, unterscheiden sich aber in verfügbaren Protokollen und Spezialisierungen.

Vor allem im stark industrialisierten Südosten Aragons, wo Produktionsstätten auf riesige Felder treffen, konnte sich die contranationalistische Ideologie stark ausbreiten und kulminierte letztendlich in der Gründung der CNA (Contranationalistische Assoziation), die allerdings seit Bestehen in verfeindete Fraktionen unterteilt war. Auf der einen Seite standen die sogenannten Plattformisten, die die Assoziation zu einer Massengewerkschaft und damit –bewegung ausbauen wollten und vor allem auf Bildung, Kultur und unblutigen Arbeitskampf zurückgriffen, während ihnen die Insurrektionalisten gegenüberstanden, die mit Anschlägen und Sabotage den Wandel herbeibringen wollten. Die Insurrektionalisten riefen die „Bandera Negra“ (Schwarze Fahne) ins Leben, die als Unterorganisation der CNA für eine Reihe von politischen Morden, Banküberfällen und Sprengstoffanschlägen verantwortlich war, die das fragile Gefüge der jungen Republik erschütterten und letztendlich zur Ermordung des Thronfolgers Don Raoul III. führten.

Der Bürgerkrieg

»Land und Freiheit!«

Bis zu diesem Zeitpunkt betrachteten die eher reaktionären Kräfte Aragons die Republik mit Verachtung, partizipierten aber am politischen System, was sich jedoch mit dem Tode Don Raouls III. und der Wahl zugunsten einer Koalition von Parteien, die sich eher am Internationalismus orientierten, schlagartig änderte. Ein Bündnis aus Ultranationalisten, Dynastisten und religiösen Fundamentalisten übernahm nach einem Militärputsch die Kontrolle über zahlreiche Provinzen im Norden und Osten Aragons, erklärte die Republik für beendet und begann mit der Rücknahme zahlreicher bürgerlicher Freiheiten und der brutalen Unterdrückung der besitzlosen Klasse. Unterstützt vom Volksreich und der ultranationalistischen Regierung Tuscans erklärte die Aragonesische Nationale Front (oder ANF) den republikanischen Provinzen den Krieg.

Ultranationalistische Opfermagie

Dein Blut zum Glanze der Nation!

Wenn Spirituelle Dialektik das contranationalistische Gegenstück zur militärisch-industriellen Zauberei darstellt, nutzt die Opfermagie die Regelmechanismen und Zaubersprüche der nistanischen Schamanen – mit dem Unterschied, dass die Geister Aragons an Blut und Leid interessiert sind. Ultranationalistische Zauberer erleiden keinen Schaden durch ihre Zaubersprüche, sondern müssen einem vernunftbegabten Wesen körperlichen Schaden zufügen (wobei sie diesen Schaden auch bei sich selbst anrichten können), der der Höhe des Schadenswürfels der Anrufung entspricht.

Den Republikanern war bewusst, dass nur ein breites Bündnis aus allen Teilen der Bevölkerung dem ultranationalistischen Sturmangriff standhalten könne und trat somit in Verhandlungen mit der CNA, in denen die Republik zahlreiche Zugeständnisse wie Enteignungen, Neuverteilung von Land und autonom organisierten Produktionsstätten machen musste. Die Hilfegesuche der Republik im Ausland stießen auf taube Ohren, so dass einzig die UdRRS die Republikanische Union mit Hilfsgütern und militärischer Ausrüstung unterstützte. Aus der ganzen Welt kamen jedoch Freiwilligenverbände nach Aragon, um gegen die Ultranationalisten zu kämpfen. Die Hoffnung der ANF auf einen schnellen Sieg wurde zerschlagen, während der Konflikt zu einem zehrenden Guerillakrieg wurde, in dem Säuberungen auf beiden Seiten an der Tagesordnung standen.

Um der Spirituellen Dialektik und der roten Zauberei entgegenzuwirken, die für die Front zu einem zunehmenden Problem wurde, griffen einige der Ultranationalisten zu einem verzweifelten Schritt, der in krassem Gegensatz zur Lehre des Auferstandenen Sohnes stand: Sie riefen die Geister längst verstorbener aragonesischer Helden und des Landes selbst an und sicherten sich durch Pakte und Schwüre ihre Unterstützung. In der ultranationalistischen Propaganda wurde es so dargestellt, als würden sich Aragon selbst erheben, um »unser heiliges Land vom Krebsgeschwür des Atheismus und des Contranationalismus zu reinigen«. Säuberungen und Massenhinrichtungen gewannen an Fahrt, nicht mehr nur um den politischen Gegner auszuradieren, sondern auch um den Hunger der Geister zu stillen.

Das Rote Konzil erklärte die CNA zu transnationalistischen Kollaborateuren, die mit ihren Enteignungen, Umverteilungen und der Beseitigung nomineller Hierarchien die Republik schwächen sollten, und wiesen alle wahren Internationalisten an, den Contranationalismus in jeder Form zu beseitigen. Der Doktrin des Konzils folgend attackierten internationalistische Truppen zahlreiche Knotenpunkte in contranationalistischen Gebieten und begannen so einen Bürgerkrieg im Bürgerkriege selber. Während sich die eher plattformistisch orientierten Syndikate um Verhandlungen mit den Internationalisten bemühten, um einen Waffenstillstand zu erwirken, riefen die Insurrektionalisten die zu Beginn des Konflikt verbotene Bandera Negra ins Leben zurück. Während die ANF immer weitere Provinzen erobern konnten, überzog die Bandera Negra jede Organisation oder Person, die sie des Internationalismus oder der Kollaboration verdächtigten, mit einer Woge des Terrors. Die Zerfleischung in den eigenen Reihen führte zur kompletten militärischen Niederlage der Republikanischen Union nur wenige Wochen bevor das Volksreich die ganze Welt mit seinem völkischen Wahn überzog und in einen totalen Krieg stürzte.

Der blutige Pfad zur Moderne

In den Nachwehen des Bürgerkriegs wurden tausende Republikaner und Contranationalisten brutal abgeschlachtet, um nicht nur deren Ideologie auszulöschen, sondern auch um den Sieg der ANF mit Hilfe der Geister zu zementieren. Alle Errungenschaften der Republikanischen Union oder CNA wurden rückgängig gemacht, um aus einem Flickenteppich von stark variierenden Provinzen einen vereinigten aragonesischen Staat zu formen, in dem die Theorie des Ultranationalismus und die Lehren des Auferstandenen Sohnes die einzigen Grundlagen der Gesellschaft sein sollten. Als die WTA zusammen mit ihren Verbündeten das Volksreich unterwarfen, hofften die letzten verbliebenden Contranationalisten, die in den Untergrund gegangen waren, darauf, dass die Westliche Transnationalistische Allianz sich nun Aragon vorknüpfen würden. Ihre Hoffnungen wurden allerdings bitter enttäuscht, als die WTA die ANF als legale Führung anerkannte und wirtschaftlich wie politisch unterstützte.

Nachdem ihre gemeinsamen Gegner vernichtet waren, vereinigten sich die Dons unter ihrem Führer Don Francisco und wenn man nicht gerade Contranationalist oder Mitglied der besitzlosen Klasse war, lebte es sich in Aragon recht angenehm. Aber all das sollte sich mit dem Tode von Don Franciso „dem Befreier“ von einem Tag auf den anderen ändern, denn er hatte recht kurzsichtig sein Leben mit einigen Blutpakten zur Stabilisierung Aragons verbunden, in der Hoffnung so einen Mordanschlag aus eigenen Reihen zu verhindern.

Die Jahre nach Don Franciscos Tod haben Aragon in ein zersplittertes Chaos aus sich untereinander bekriegenden Kleinstaaten zurückgeworfen, in denen Anschläge und Putsche zum guten Ton der Politik gehören, während Massaker nicht nur dazu dienen Terror unter der Bevölkerung zu sähen, sondern auch neue Pakte zu schließen, die den militärisch-industriellen Magiekomplex befeuern sollen. Aragon spielt auf dem internationalen Parkett kaum noch eine Rolle und nur die Schlagzeilen über besonders blutige Anschläge schaffen es in die Presse anderer Nationen. Separatistischer Ultranationalismus ist die neue Ideologie Aragons, in dem die Idee eines geeinigten Staates nur noch in den Großmachtphantasien einzelner Dons eine Rolle spielt.

Aus dem Untergrund heraus betrachten die Erben des Contranationalismus die Situation und bereiten sich auf ihre Rückkehr vor. Der Plattformismus der alten Tage ist verschwunden und einem konsequenten Insurektionalismus gewichen, der Kultur und Bildung zwar als notwendig betrachtet, aber aufgrund seiner Erfahrung Pistolen, Dynamit und Streiks den Vorzug gibt. Es ist die Rede davon, dass sich die ersten spirituell-dialektischen Syndikate wieder bilden, während die Bandera Negra Ultranationalisten, Fabrik- und Großgrundbesitzern erneut das Fürchten lehrt.
Zaragona in der Provinz Catalussa ist erneut die Bastion des Contranationalismus, in der verdeckt arbeitende Guerilleros gegen die Paramilitärs von Don Cortez vorgehen, während in den Fabriken Agitatoren den Arbeitern die Lehren der CNA näherbringen.


Soweit die Geschichte Aragons und des Contranationalismus. Nächste Woche gibt es die Regeln, um das Szenario auch wirklich bespielen zu können.


The Red Star and all related characters are ™ and © Christian Gossett. Used with kind permission.

The Red Star Campaign Setting is © Green Ronin Publishing, LLC.

The Red Star und alle verwandten Charactere sind ™ und © Christian Gossett. Verwendet mit freundlicher Genehmigung.

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